Rezension

Gülcan, Lotta und der fesche Trafikant

Zwei unter einem Schirm - Anton Badinger

Zwei unter einem Schirm
von Anton Badinger

Bewertet mit 4 Sternen

Die Türkin Gülcan arbeitet als Fremdenführerin in Istanbul, wo sie mit ihren Eltern lebt, die jedoch von einer Rückkehr nach Anatolien träumen. Also soll Gülcan heiraten, damit sie versorgt ist. Der Schwiegersohn in spe wohnt in Österreich, im schönen Salzburg. Er stellt sein Leben in Salzburg in leuchtenden Farben dar, doch es ist nicht alles Gold, was glänzt: Nach ihrer Ankunft in der Alpenrepublik muss Gülcan erkennen, dass Cemils „Haus“ nur eine kleine Wohnung ist, in welcher sie mit den Schwiegereltern leben soll, und auch die Aussicht auf eine Ausbildung löst sich in Luft auf; vielmehr muss sie im familieneigenen Hähnchen – Imbiss anheuern. Als ihr Mann auch noch die Hand gegen sie erhebt, wird es Gülcan zu bunt, und sie flüchtet nach Wien, wo sie Lotta begegnet, die ihrerseits dem Traum vom Glück nachjagt. Er scheint auch in Erfüllung zu gehen, als Lotta den Hauptgewinn zieht, mit welchem sie nicht nur den feschen Trafikanten beeindrucken will. Schon bald steigt der Frau das viele Geld zu Kopfe, wer hat, der hat, und der neue Lebensstil zieht viele neue „Freunde“ an, die sich bald als treulose Trittbrettfahrer entpuppen…

Vor der Lektüre hatte ich mit einem Roman über eine Frauenfreundschaft gerechnet, doch der Verlauf der Geschichte wird dem Etikett „Frauenroman“ nicht ganz gerecht, denn es geht im Buch eigentlich nicht um best female friends, Prosecco und Schuhe.
Vielmehr geht es um zwei unterschiedliche Lebensentwürfe und die Suche nach dem Glück. Aus einer eurozentrischen Perspektive würde man annehmen, dass Gülcan die schwache und verhuschte Frau ist, doch es ist Lotta, die mit einem geringen Selbstwertgefühl zu kämpfen hat, die eigentlich von Haus aus die besten Voraussetzungen für ein erfülltes Leben haben müsste, und doch unglücklich ist. Die einfache Rechnung „Türkin = armes Hascherl“ geht also nicht auf, denn auch die „Westlerin“ Lotta hat das Glück nicht qua Geburt gepachtet. Der Zufall führt das ungleiche Paar zusammen, und es kann sich doch noch alles zum Guten wenden…
„Zwei unter einem Schirm“ von Anton Badinger hat mir gut gefallen, auch wenn der Klappentext ein wenig irreführend ist, denn die Buchhalterin Lotta und die Fremdenführerin Gülcan sind mitnichten Sandkastenfreundinnen, und der Roman dreht sich um Selbstverwirklichung und nicht um Freundschaft, was für mich aber in der Rückschau nicht so sehr ins Gewicht fällt, da mir der Stil des Autors zugesagt hat: Die Austriazismen finde ich einfach klasse, und auch der Humor ist „meins“.
Ein gelungener Debutroman!