Rezension

Gut erzählte Geschichte und viele historische Zusammenhänge

Das goldene Palais - Natasha Solomons

Das goldene Palais
von Natasha Solomons

Bewertet mit 5 Sternen

Allgemeines:

Natasha Solomons legt mit Das goldene Palais ihren fünften Roman vor. Ihre Großeltern sind 1936 vor dem Naziregime von Berlin nach England geflüchtet. Ihren ersten Roman schrieb sie über die Integration jüdischer Flüchtlinge in die englische Gesellschaft; für ihn erhielt sie 2010 den „Galaxy Book Award New Writer of the Year‘“. Der Roman wies autobiografische Züge auf, denn ihrem Großvater gelang diese Integration. Das goldene Palais ist ein Familienroman, der das Leben der Familie Goldbaum im beginnenden 20. Jahrhundert und während des Ersten Weltkriegs erzählt. Das goldene Palais erschien am 23.07.2019 im Rowohlt Verlag als Hardcover und umfasst 605 Seiten.

Inhalt:

„Ein opulenter Roman über eine jüdische Bankiersfamilie, die nicht zufällig an die Rothschilds denken lässt. Eine packende Saga über Macht, Liebe und Familienbande.

Wien, 1910. Die alte, über ganz Europa verteilte Familie Goldbaum hat ihren enormen Reichtum Bankgeschäften zu verdanken. Greta, das jüngste Kind, ist ein eigenwilliges Wesen. Ihr droht eine Ehe mit Albert, dem Spross des englischen Zweigs der Familie, von dem es heißt, er sei spröde und sauertöpfisch, noch dazu ein leidenschaftlicher Schmetterlingsjäger. Doch Greta beschließt, die Sache auf sich zukommen zu lassen – und tut gut daran.

Während das private Glück unverhofft über Greta hereinbricht, zeigen sich immer bedrohlicher die Vorboten eines großen kriegerischen Konflikts. Ein Konflikt, in den die Goldbaums als Teil der politischen Aristokratie und Finanziers von Waffengeschäften tief verstrickt sind …“ (Quelle: Rowohlt Verlagsseite)

Meine Meinung:

Natasha Solomon legt mit ihrem Roman eine Geschichte vor, die das Leben der jüdischen Bankiersfamilie Goldbaum zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien und dem übrigen Europa zum Inhalt hat.

Im Mittelpunkt steht die junge Wienerin Greta, die mit dem aus England stammenden Albert, der zu dem britischen Teil der Goldbaums gehört, verheiratet werden soll. Greta ist eine für die damalige Zeit emanzipierte Frau, die sich traut, sich gegen die herrschenden Konventionen aufzulehnen. Sie entscheidet sich sehr bewusst für die Ehe mit dem ihr völlig unbekannten Albert.

Das für mich eigentlich Interessante an Solomons Roman ist der historische Kontext, der rund um die erzählte Handlung eine wichtige Rolle spielt. Solomon hat genau recherchiert und gibt einen guten Einblick in das jüdische Leben des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Als Bankiers und Geldgeber hoch geachtet, in anderen Belangen aber gesellschaftlich oft unerwünscht und zurückgewiesen, so sieht das Leben der Familie Goldbaum – stellvertretend für das vieler jüdischer Familien – aus. Das folgende Zitat sei hierfür ein Beispiel (Henri, Banker und ein Mitglied der Familie Goldbaum möchte nach Russland reisen, um den Winterpalast zu sehen. Zudem haben die Goldbaums geschäftliche Beziehungen zu Russland.):

„Am folgenden Nachmittag erhielt Henri einen unangenehmen Besuch vom russischen Botschafter.  Claire Bouchard [Anm.: Henris Lebensgefährtin] wäre als Gast von Nikolaus, dank der Gnade Gottes Herrscher und Regent aller Russen, willkommen. Henri Louis David Goldbaum allerdings nicht. Juden, und seien sie noch so reich, war die Einreise nach Russland nicht gestattet.“ (S. 74)

Schauplätze des Romans sind Österreich, Frankreich, die Schweiz, Russland und England. Bis auf Russland Länder, in denen die weitverzweigte Familie Goldbaum lebt. Solomons erzählt chronologisch, lässt aber unterschiedlich viel Zeit zwischen den unterschiedlichen Kapiteln vergehen, das ist ein wohltuender Stil, da die erzählte Geschichte sich so auf Wesentliche Ereignisse fokussiert. Mit Beginn der Kriegshandlungen 1914 bis hin zum Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika verdüstert sich das Schicksal der Goldbaums parallel zum Kriegsgeschehen: Der Antisemitismus nimmt zu. Die Fremdenfeindlichkeit der Engländer gegen die Deutschen aber auch, was Greta, obwohl Österreicherin, empfindlich zu spüren bekommt. Die Geschichte der Goldbaums ist wirklich bewegend, zeigt sie doch, dass das Schicksal dieser großen Bankiersfamilie mit dem Zeitgeschehen eng verquickt ist. Das alles erzählt Solomons, ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen. Sie hat vielmehr intensiv bezüglich der historischen Geschehnisse recherchiert und baut auf Fakten, die sie ausgesprochen glaubwürdig als Rahmen ihres Romans nutzt. Somit liest man nicht nur ein wirklich packendes Buch, sondern lernt eine Menge über finanzielle Verstrickungen von Bankhäusern und Politik, gegenseitige Ausbeutung und auch Verrat. Die Einblicke in das jüdische Alltagsleben und die damit zunehmend verbundenen Ängste, haben mich sehr beeindruckt. Zudem sind die verschiedenen Lebensentwürfe der Goldbaums ein gutes Beispiel für gegenseitigen Respekt und Toleranz.

Fazit:

Ein Buch, das ich jedem empfehlen kann, der sich nicht nur für eine gut erzählte Geschichte, sondern auch für historische Zusammenhänge interessiert.