Rezension

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*~* Gut gegen Nordwind *~*

Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Gut gegen Nordwind
von Daniel Glattauer

Bewertet mit 5 Sternen

Wie kam ich an das Buch? Die Leihbücherei im Ort schließt am 12.12. für einen Umzug und die netten Damen baten mich, doch etwa einen Wäschekorb voll auszuleihen, damit sie nicht soviel packen und schleppen müssen. Um ihnen einen Gefallen zu tun, nahm ich also mehr Bücher mit als ich eigentlich ausleihen wollte. Darunter befand sich auch "Alle sieben Wellen" welcher der zweite Teil ist über die beiden Hauptpersonen Leo und Emmi. Es fiel beim Ausleihen auf, da eine meiner Damen das Buch total schön fand, daß sie mir den ersten Band, also "Gut gegen Nordwind" sofort in den Regalen suchen ging. Sie schrieb mir mit Bleistift eine 1 in das Buch, damit ich auch wirklich mit dem ersten Band anfange. Dadurch war ich total neugierig und nahm mir die beiden Bücher auch als erstes vor und legte alles andere erst einmal zur Seite. 

Erster Eindruck: Ein Buch, in denen sich zwei Menschen, Mann und Frau E-Mails schreiben? Sehr gewöhnungsbedürftig und irgendwie auch komisch, aber dennoch konnte ich es nicht lassen, denn erst einmal angefangen, daß Buch aus meinen Händen zu legen, denn schon nach ein paar Seiten dieses ungewöhnlichen Stils hatte es mich gepackt. Ich wollte mehr wissen über Emmi und Leo und da im Klappentext von einem Liebesdialog die Rede ist, machte es für mich noch interessanter. Ich habe oben auf dem Dachboden eine Kiste in denen meine ganzen alten Briefe + Postkarten gelagert werden. Ich habe es schon immer sehr geliebt Briefe zu schreiben und noch schöner fand ich es, wenn ich Post zurück bekam. Da ist auch so mancher Liebesbrief darunter aus meiner Jugendzeit und da mein Mann sehr schreibfaul ist, leider nur einer von ihm, aber an diesem hänge ich ganz Besonders. In der heutigen Zeit schreibt man sich E-Mails oder Private Nachrichten, aber das ist nicht vergleichbar mit einem handschriftlich geschriebenen Brief. Es geht natürlich viel schneller, denn man könnte innerhalb von Sekunden, Minuten Antwort bekommen und muss nicht mehrere Tage auf Antworten warten. Ob es möglich ist, sich ineinander zu verlieben nur durch E-Mail Kontakt müsst ihr die vielen Menschen fragen, die es geschafft haben, sich so kennen und lieben gelernt haben. Immer wieder liest man von der großen Internetliebe, daher denke ich schon das es möglich ist. Ein guter Freund von mir hat seine große Liebe durch einen intensiven Briefkontakt gefunden, denn zum 30 Geburtstag bekam er ein Abo für eine Singlebörse, keine Ahnung mehr wie die hieß, aber Nicole war dort auch angemeldet und so lernten die beiden sich kennen. Ist es so, daß man dadurch, daß man denjenigen den man schreibt offener gegenüber tritt, weil man ihn / sie nicht sehen kann? Ist man deshalb schneller bereit dieses oder jenes zu offenbaren, weil man seinem Gegenüber nicht ins Gesicht schaut? Ist es möglich, daß Leo und Emmi sich ineinander verlieben nur dadurch, daß sie sich E-Mails schreiben? Ein klares "JA", denn ich bin so eben auch mit dem zweiten Band fertig geworden und kann nur sagen, ich bin ehrlich gesagt komplett begeistert - vom Buch (oder sollte ich sagen von den Büchern?), aber am meisten hat mir der Schreibstil zugesagt. Der Wortwitz und der Sprachgebrauch haben mich doch tief beeindruckt und mir wieder einmal gezeigt, daß ich in meinem Reden und Schreiben doch eher einfach gestrickt bin und manchmal einfach aus dem Bauch heraus antworte. Ein Buch zu schreiben überlasse ich dann lieber doch anderen. 

Die Story braucht einiges an Zeit bis sie an Fahrt aufnimmt, denn zu allererst tasten die beiden sich erst einmal aneinander an, ganz vorsichtig und langsam. Irgendwann schätzen sie den E-Mail Kontakt und werden geradezu süchtig nacheinander. 

15. Jänner 
Betreff: Abbestellung 
Ich möchte bitte mein Abonnement kündigen. geht das auf diesem Wege? Freundliche Grüße, E. Rothner 

So beginnt das Buch. Emmi / Emma Rothner möchte eigentlich nur ihr Abo des Magazins "Like" kündigen und durch einen Tippfehler landet sie bei Leo Leike. Sie schreibt einige E-Mails, bevor sich Leo zu Wort meldet und sie auf ihren Fehler hinweist und ab da beginnt die Geschichte. Logisch, daß die E-Mails von Emma ein klein wenig heftiger werden, denn sie bekommt das Magazin immer noch geliefert, obwohl sie es doch eigentlich kündigen wollte. Was als Kündigung anfängt ist der Beginn einer intensiven Schreibbeziehung. Besonders in der Nacht kontaktieren sich die beiden, dann wenn Emmas Familie schläft. Richtig gelesen, Emma ist verheiratet und scheinbar fehlt ihr etwas in ihrer Ehe, denn sonst wäre sie nicht so empfänglich für Leos geschriebenes Wort, sie wird regelrecht süchtig danach. Die meisten E-Mails manchmal nur "Leoooooooooo?" weisen einfach daraufhin, daß sie ungeduldig auf Antwort wartet. Leo lässt sich nämlich manchmal sehr viel Zeit bevor er ihr antwortet und Emma scheint kein besonders geduldiger Mensch zu sein. Da sich die beiden nicht sehen können, wenn sie kommunizieren keimt der Gedanke auf sich zu treffen ohne sich zu treffen. Will heißen, sie treffen sich an einem Ort mit hohen Publikumsverkehr und versuchen sich gegenseitig zu erkennen. Beide haben sich ein Bild des anderen gemacht und wollen nun schauen, ob sie mit ihrer Vermutung Recht haben. Ob es gelingt? Das müsst ihr schon selbst nachlesen. 

Dieser wirklich erfrischende, wirklich spritzig und manchmal sarkastisch und spitzfindige Roman hat mich wirklich begeistert. Ich war echt froh, daß ich den zweiten Teil auch ausgeliehen habe, denn dann konnte ich gleich Lesen, wie es mit Leo und Emmi weitergeht, denn das Ende des ersten Buches hat meinen Wissensdurst nicht befriedigt, sondern eher meine Neugier geschürt. Ich hasse ein offenes Ende, wenn ich Feuer und Flamme bin. Und ich gestehe, es hatte mich wirklich gepackt. 223 Seiten sind schnell gelesen und der Roman ist so flüssig zu Lesen, daß ich nur wenige Stunden gebraucht habe. Verwirrend ist nur, daß Emma manchmal 2 oder 3 und auch mehr E-Mails an Leo schreibt um ihn aus der Reserve zu locken und manchmal musste ich dann auch zweimal die Sätze lesen um den Absender zu identifizieren, aber das ist kein Kritikpunkt, sondern etwas was ich einfach einfließen lassen wollte. Manchmal sind die E-Mails auch wie ein Ping Pong Spiel und manchmal auch sehr einseitig, wenn einer der Teilnehmer im Urlaub ist oder auf Seminaren, dann schaltet sich auch mal der Systemmanager ein und dieser antwortet nicht, wie ihr vielleicht wisst. Es ist nur ein wenig unbefriedigend für denjenigen, der auf Antwort wartet. 

Warum heißt das Buch denn nun "Gut gegen Nordwind?" Das habe ich mich auch lange gefragt, denn es schien mir sehr unpassend, bzw. warf einige Fragen in mir auf. Etwa mittig im Roman wird es aufgeklärt und es ist eine sehr schöne und romantische Erklärung. Ab da war der Buchtitel völlig passend. 

Wie aber reagiert Bernhard Emmas Mann auf den E-Mail Kontakt seiner Frau? Natürlich bleibt es ihm nicht verborgen, daß seine Frau sich verändert, daß sie sich ihm zusehends verändert und er sieht seine Ehe in Gefahr. Mischt er sich nun ein oder vertraut er seiner Frau blind? Und die Kinder? Jonas und Fiona? Bemerken sie Veränderungen an ihrer Mutter bzw. Stiefmutter? Ich hoffe durch die gestellten Fragen mache ich euch ein klein wenig Lust auf das Buch, welches einfach durch seine Andersartigkeit sich komplett von anderen Büchern abhebt. 

Interessant ist, obwohl sich Leo und Emma doch sehr nahe kommen, sind sie bis zum Ende hin immer noch per "Sie". Werden sie sich irgendwann doch noch duzen? Im Internet ist es meist doch so, daß man sich duzt. Also hier auf dooyoo siezt mich keine/r und mit manch einem / manch einer gehen doch so einige PN´s hin und her. Man kann sich durch das Lesen von Berichten auch einen kleinen Eindruck über die Personen machen, die sich hier tummeln, aber kenne ich sie wirklich? Für mich bleibt also immer noch die Frage: Ist es möglich sich nur durch Austausch über E-Mails ineinander zu verlieben? Süchtig zu werden nach der Antwort des anderen? Sich danach zu sehnen? Es zu brauchen wie die Luft zum Atmen? 

Das Cover: 
Was sagt mir ein Bild von einer Frau, die in Unterwäsche auf ihrem Bett sitzt und die Arme auf die Knie gestützt halt. Nachdenklich sieht es aus oder hat sie etwa Kopfschmerzen? Vom Cover her hätte mich das Buch jetzt nicht angesprochen, das muss ich gestehen, denn es sieht irgendwie nichtssagend aus, oder? 

Ich komme zum Schluß und ende mit Leos Worten: 
"Schreiben sie mir, Emmi. 
Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. 
Schreiben ist küssen mit dem Kopf." 

Von mir eine Leseempfehlung und alle 5 Sterne für das Buch "Gegen den Nordwind!"