Rezension

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut

Wir holen alles nach - Martina Borger

Wir holen alles nach
von Martina Borger

Bewertet mit 5 Sternen

Die Romane von Martina Borger, egal ob allein oder mit Elisabeth Straub, stehen immer für Qualität. Sie setzen sich mit dem Alltag auseinander, sie wühlen auf und sie machen nachdenklich. "Wir holen alles nach" bildet da keine Ausnahme.

Hier geht es um Sina, die alles für ihren Sohn möglich machen will, die eine gute Mutter sein will. Leider gehen in der Hektik des Alltags manche Dinge unter und der Junge geht mit seinen Gefühlen nicht hausieren, sondern macht viel mit sich selber aus. Bei seiner Nachhilfelehrerin Ellen und deren Hund hat der sensible, introvertierte Junge Freude. Aber auch mit Torsten, dem neuen Freund seiner Mutter versteht er sich gut. Als beobachtet wird, dass er plötzlich blaue Flecken am Körper hat und dazu immer stiller wird, werden Gerüchte in die Welt gesetzt, die das Leben der kleinen Patchworkfamilie komplett verändern.

Gekonnt erzählt Martina Borger vom Alltag, vom Alltag, wie er wirklich ist; sie erzählt von den kleinen Lügen des Alltags, den kleinen oder großen Geheimnissen, die wir alle haben; sie legt geschickt Spuren, die beim Leser die Vorurteile schüren und so setzt sie dem Leser, in diesem Fall mir, den Spiegel vor. Wie oft werden Beobachtungen gemacht und dann Dinge erzählt, die jeglicher Grundlage entbehren? Wie oft setzen wir selber Gerüchte in die Welt, ohne groß darüber nachzudenken? Alles unter dem Deckmantel: Aber ich habe es doch nur gut gemeint!

Der Roman ist eine Aufforderung, genau hinzusehen, das offene Gespräch zu suchen, statt hinter Rücken zu reden. Dabei hat es die Autorin nicht nötig, mit dem erhobenen Zeigefinger zu winken und sie stellt sich nicht auf eine Seite. Niemand ist immer nur gut oder böse. Weder Sina noch Torsten, weder Ellen noch die Grundschullehrerin. Alle machen sich Gedanken, aber keiner hinterfragt sich selber. Das ist sehr gut gemacht!

Für mich ein absolutes Lesehighlight; ein Roman, der die Realität spiegelt!