Rezension

gut geschrieben, schöne Geschichte

Wunsiedel - Michael Buselmeier

Wunsiedel
von Michael Buselmeier

Bewertet mit 5 Sternen

"Wunsiedel" von Michael Buselmeier ist ein ruhiger Roman über einen Theaterliebhaber, der nach 44 Jahren an den Ort zurückkehrt, der sein Leben veränderte.

Der Ich-Erzähler Moritz Schoppe reist zum ersten Mal im Sommer 1964 für die Luisenberg-Festspiele in die Kleinstadt Wunsiedel im Fichtelgebirge. Der ehemalige Germanistikstudent ist gerade Anfang 20 und voller kreativer Ideen und Tatendrang, auf der Suche nach der großen Karriere im Theater. Bisher waren all seine Bemühungen um ein nennenswertes Engagement gescheitert, bei den Luisenberg-Festspielen sieht er seine große Chance...und wird gnadenlos enttäuscht. Unter den Schauspielern bleibt er der Außenseiter, nirgends finden seine mutigen Ideen Anklang und der resignierte Intendant verwirft seinen Entwurf von "Götz von Berlichingen" zugunsten einer deutlich angepassteren, wie er findet, uninspirierten Version. Schoppes großer Traum vom revolutionären Theater ist entzaubert, seine Provokationen fruchten nicht, zudem hat er Heimweh, vermisst seine Mutter und seine Freundin, die ihn dann auch noch verlässt - nur die Literatur, insbesondere die Werke des gebürtigen Wunsiedelers Jean Paul, geben ihm Halt und Zuversicht.

44 Jahre später kehrt der gereifte Moritz Schoppe zurück, von seiner Liebe zum Theater ist kaum etwas übrig geblieben. Er geht die Wege seinen jüngeren Ichs nach und reflektiert über sich selbst. Auch wenn er in dem Ort, der sich sehr verändert hat und im Vergleich zu früher fast ausgestorben wirkt, kaum etwas wiedererkennt, erkennt er erst jetzt die Schönheit der Umgebung, für die er in seiner Wut und Einsamkeit früher keine Augen hatte.

"Wunsiedel" ist ein romantischer Roman über das Theater und die Selbsterkenntnis. Die etwas rasanten Passagen des jungen, enttäuschten Schoppe, wie er wütend und wortgewandt über seine Schauspielkollegen und den Intendanten herzieht, wechseln sich ab mit den ruhigen, bedachten Worten des 44 Jahre älteren, reiferen Mannes. Auch die Kindheitsgeschichte in Kriegs- und Nachkriegsjahren wird angeschnitten und rundet das Bild ab.

Der Roman ist schön geschrieben und vermittelt ein wenig Nostalgie zusammen mit der Schönheit der Natur. Ideal zum Abschalten an einem ruhigen Nachmittag. Glücklicherweise steht er auf der Shortlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises, denn sonst wäre ich vielleicht nie auf ihn aufmerksam geworden und hätte einen wundervollen Roman verpasst.

Klare Leseempfehlung (nicht nur für Theaterliebhaber). Viel Spaß beim Lesen!