Rezension

Gut verpackte Medizinhistorie

Die Charité - Ulrike Schweikert

Die Charité
von Ulrike Schweikert

Bewertet mit 5 Sternen

1831: Berlin leidet unter einer Choleraepidemie, vor allem die Menschen in den ärmeren Viertel sterben wie die Fliegen und in der Charité rätseln die Ärzte über den Ansteckungsweg der Krankheit. Auch in den folgenden Jahren ist es für die Menschen, die in der Charité arbeiten, nicht immer leicht, ihren Patienten zu helfen.

Die Charité ist wohl das bekannteste Krankenhaus Deutschlands, jeder dürfte sie zumindest dem Namen nach kennen. In der Charité wurde mehr als einmal Medizingeschichte geschrieben, auch in diesem Roman darf der Leser bei neuartigen Methoden dabei sein und den Kampf mancher Ärzte begleiten, die zunächst noch von Standesgenossen verlacht werden. In den vergangene ca. 200 Jahren hat sich die Medizin sehr gewandelt, heutzutage kann man sich kaum noch vorstellen, unter welchen Bedingungen damals, noch ohne Narkose, operiert wurde oder wie die Zustände in den Krankensälen aussahen. Krankenschwestern kannte man 1831 noch nicht, die Arbeit in den Krankensälen übernahmen sogenannte Wärter und Wärterinnen, die oft aus schlechten Verhältnissen, zum Teil aus dem Gefängnis oder von der Straße kamen, denn die Arbeit war sehr schlecht bezahlt.

All das hat die Autorin in ihren, gut recherchierten, Roman eingearbeitet und als Leser ist man froh, so viel später geboren worden zu sein. Ihre Protagonisten hat sie gut ausgewählt, durch sie kann sie dem Leser vieles nahebringen. Da ist zum Beispiel Dr. Dieffenbach, Arzt an der Charité, aber auch Forscher und Pionier – und historische Persönlichkeit. Der Leser begleitet ihn nicht nur zu seinen Patienten und in den OP-Saal, sondern auch in sein Privatleben.

Neben diesem männlichen Protagonisten sind es vor allem drei Frauen, die den Roman tragen. Elisabeth Bergmann tritt 1831 ihre Stelle als Wärterin in der Charité an, und zeigt, dass man den Patienten auch mit Freundlichkeit und Verständnis entgegentreten kann, sie ist aufgeweckt und wissbegierig. Die Stadthebamme Martha Vogelsang muss ein paar Entscheidungen treffen, die ihr Leben auf den Kopf stellen und auch sie an die Charité führen werden. Gräfin Ludovica von Bredow gehört zwar der gehobenen Schicht an, doch als sie schwanger wird, sind die Prognosen eher schlecht und ihr hypochondrischer Gatte hat nur sich selbst im Kopf. Etwa zehn Jahre begleitet der Leser diese und weitere Menschen, die mit der Charité verbunden sind, im Epilog sogar noch darüber hinaus.

Mich hat der Roman von der ersten Seite an gepackt, der historische Hintergrund, nicht nur der medizinische, auch der soziale und politische, sind perfekt integriert. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, (Medizin)Historie und (zum Teil) fiktives Privatleben zu verbinden und einen sehr lesenswerten, spannenden Roman entstehen zu lassen.

Einen Kritikpunkt habe ich allerdings, dieser betrifft die Liebesgeschichte rund um Gräfin Ludovica, auf diese hätte ich sehr gut verzichten können, wirklich notwendig für die Geschichte scheint sie mir auch nicht zu sein. Im späteren Verlauf hat sie mich regelrecht sauer gemacht und Ludovica, die eigentlich eine interessante (fiktive) Figur ist, in meinen Augen immer unsympathischer werden lassen. Und wenn ich schon bei den Liebesgeschichten bin (es gibt im Roman noch eine zweite), diese waren manches Mal sehr nahe daran, übertrieben kitschig zu sein, auch durch die Wortwahl, die ich mir allerdings als in die Zeit passend erklärt habe und somit tolerieren konnte. Zum Glück nehmen die Liebesgeschichten nur einen relativ geringen Raum ein, so dass diese in den vielen interessanten Szenen untergehen und wenig ins Gewicht fallen.

Wie es sich für einen guten historischen Roman gehört, gibt es auch ein paar Extras, hier eine Karte des Charitégeländes und ein interessantes Nachwort der Autorin.

Insgesamt ist der Roman sehr lesenswert, vor allem, wenn einen Medizingeschichte interessiert. Von mir gibt es volle Punktzahl sowie eine Leseempfehlung.