Rezension

gute Balance zwischen Liebesgeschichte und geheimnisvollem Familiendrama

Der Geschmack des Sommers - Sarah Ockler

Der Geschmack des Sommers
von Sarah Ockler

Bewertet mit 4 Sternen

Bei "Verlieb dich nie in einen Vargas" habe ich erfahre, dasss hinter einem sommerlich leichten Cover nicht immer eine 0815-Liebesgeschichte stecken muss. Wer hätte auch in so einer hellen, fröhlichen Hülle eine so ernste, tiefgründige Thematik erwartet? Und so steckt auch in Sarah Ocklers neuem Werk viel mehr als 'nur' eine Lovestory: Familiendrama, Selbstfindung, Freundschaft, Umgang mit tabuisierter Krankheit, Angst und Verlust.

Nach der schlechten Nachricht begleiten wir Delilah und ihre Mutter auf dem Weg zum Haus ihrer Grossmutter. Die beiden stecken tief in einem Mutter-Tochter-Krieg und auf dieser Autofahrt erfahren wir, wie stark sich die Mutter verändert hat: von einer liebevollen Mutter in eine taffe Businessfrau, die kaum zuhause ist.

Ihre Grossmutter hat sie schon seit acht Jahren nicht mehr gesehen und nun ist sie tot. Davor hat sie all ihre Sommer am Red Falls Lake verbracht und als sie nun nach dieser langen Zeit wieder im Haus ihrer Grossmutter ist, kommen immer mehr Kindheitserinnerungen in ihr hoch und sie möchte unbedingt die Familiengeheimnisse der Hannahford-Frauen lüften. Was genau ist damals vor acht Jahren geschehen, dass sie so überstürzt abgereist und nie mehr zurückgekehrt sind, sogar den Kontakt abgebrochen haben? Und was hat es mit ihrer jung verstorbenen Tante auf sich?

Delilah macht in dieser Geschichte eine enorme Entwicklung durch. Zu Beginn ist sie für mich der typische etwas oberflächliche, zum Teil aufmüpfige Teenager, der durch die Abwesenheit der Mutter sehr selbständig, aber auch einsam ist. Durch die aufgezwungene Auszeit in Vermont kommt sie zur Ruhe, macht sich Gedanken und trifft auf ihren Freund aus dem Sandkasten Little Ricky. Die beiden sind sich sofort wieder vertraut und es schleicht sich noch ein anderes Gefühl ein. Langsam entwickelt sich eine vorsichtige, schöne Liebesgeschichte.

Nach und nach setzt Delilah ein Puzzlestück der Familiengeschichte ans andere und lernt so ihre Grossmutter, aber auch ihre Mutter besser verstehen. Als sie dann das verschollene Tagebuch ihrer jung verstorbenen Tante findet, hofft sie, auch das letzte Geheimnis zu lüften. Doch im Gegenteil wirft dieses noch neue Fragen auf.
Zum Teil lösen sich die Probleme dann doch etwas gar schnell und einfach auf, aber im Grossen und Ganzen finde ich die Geschichte authentisch, glaubwürdig und sehr schön.

Sarah Ockler schreibt oft mit Metaphern und ich muss sagen, dass mir ihr Schreibstil äussert gut gefällt, so dass ich mir viele Zitate notiert habe. Sie verwebt gekonnt eine wunderschöne Liebesgeschichte mit einem traurigen Familienschicksal und baut dabei eine so dichte, melancholische Atmosphäre auf, dass ich die Geschichte sehr schnell gelesen hatte.

Fazit:
Sarah Ockler bewegt sich mit "Der Geschmack des Sommers" auf einem schmalen Grat. Gekonnt hält sie die Balance zwischen Freundschaft und Zwist, zwischen schönen Kindheitserinnerungen und aktuellen Konflikten, zwischen leichter Liebesgeschichte und geheimnisvollem Familiendrama.