Rezension

Gute Dystopie

Die Geschichte der schweigenden Frauen - Bina Shah

Die Geschichte der schweigenden Frauen
von Bina Shah

Bewertet mit 4 Sternen

In einer nicht allzu fernen Zukunft sind die meisten Frauen durch ein Virus getötet worden. Die überlebenden werden mit mehreren Männern zwangsverheiratet und Fruchtbarkeitsbehandlungen unterzogen, damit sie möglichst viele Kinder (Töchter) bekommen und das Fortbestehen des totalitären Stadtstaates „Green City“ gesichert ist. Nur wenige Frauen verweigern sich dem neuen System. Sie leben im Untergrund und verdienen auf ungewöhnliche Weise ihren Lebensunterhalt. Durch einen schwerwiegenden Fehler gerät ihr Leben aus den Fugen.

 

Das Buch ist schön gestaltet und das Titelbild finde ich passend. Die Geschichte liest sich sehr gut und ist spannend. Sie wird aus wechselnden Blickwinkeln erzählt, was Einblick in die Sichtweisen der verschiedenen ProtagonistInnen gewährt.

 

Einiges im Weltaufbau fand ich ein wenig unlogisch bzw. hätte ausführlicher erklärt werden können. Wie die Welt von Green City funktioniert, bleibt für mich ziemlich vage. Der Autorin geht es aber wohl nicht vordergründig darum, einen ausgeklügelten Dystopie-Entwurf zu präsentieren, sondern um das Seelenleben der Menschen, vor allem der Frauen, in dieser Stadt. Was macht es mit den Frauen, wenn sie zwar offiziell geschützt und geehrt werden, ihnen aber jegliche Selbstbestimmung genommen ist? Und ist ein solches System wirklich das, was die Männer wollen?

 

Hier hätte ich mir stellenweise gewünscht, dass die Autorin psychologisch etwas mehr in die Tiefe geht. Man hätte die aufgeworfenen Fragen genauer ausleuchten können. Gut finde ich, dass nicht zu viel „herumphilosophiert“ wird, sondern es den Lesenden überlassen ist, ihre Schlussfolgerungen selbst zu ziehen.

 

Der Vergleich mit „Der Report der Magd“ drängt sich bei diesem Buch auf, kann aber kaum positiv ausfallen und ist vielleicht auch ein wenig unfair. Letztlich ist „Die Geschichte der schweigenden Frauen“ ein Unterhaltungsroman, aber mit ordentlich Tiefgang. Sicherlich einer der besseren und interessanteren Vertreter des Genres Dystopie in den letzten Jahren. Hier kann man gerne mal einen zweiten Blick riskieren und wird am Ende auch mit einem Hoffnungsschimmer belohnt.