Rezension

Gute Idee mit zu vielen Themen überfrachtet

Was bleibt von uns - Golnaz Hashemzadeh Bonde

Was bleibt von uns
von Golnaz Hashemzadeh Bonde

Bewertet mit 3 Sternen

Nahid ist an Krebs erkrankt. Unheilbar. Diese Krankheit bringt sie zum nachdenken: Als junge Frau sollte sie als erste aus der Familie studieren, wollte Ärztin werden. Doch Revolution und Krieg in ihrem Heimatland Iran zwangen sie zur Flucht nach Schweden. Die Erlebnisse im Iran, wie der Tod enger Freunde und die plötzliche Trennung von ihrer Mutter und ihren Schwestern haben Nahid schwer getroffen. Ihre einst harmonische Beziehung leidet stark. Nur für ihre kleine Tochter kämpfen Nahid und Masood um ein besseres Leben. Und nun auch noch Krebs; mit nur 60 Jahren.

Es gab in diesem Roman durchaus Passagen, die mich mitgezogen haben. So zum Beispiel Nahids Vergangenheit im Iran oder die – zugegeben sehr kurzen – Überlegungen, ob man gegen etwas Unheilbares kämpft oder die Zeit, die einem noch bleibt ohne Chemo und ohne Medikamente bis zum bitteren Ende genießt. Leider traf der weitaus größere Teil nicht meinen Geschmack.

Ich habe offenbar ein Problem, mit einer gewissen Art von Figuren, das hier definitiv wieder zum tragen kam. Ich erkenne durchaus an, dass Nahid im Leben viel zu ertragen hatte, kann aber auf der anderen Seite nichts damit anfangen, was sie für sich daraus für Konsequenzen zieht. Sie ist bitter, hart, störrisch und unfreundlich. Und das zu den Menschen, die ihr am nächsten stehen. Ich habe einfach kein Interesse herauszufinden, was mit einer Person passiert, die auch mit Blick auf ihr Lebensende nicht aus ihrer Bitterkeit herausfindet. Bei Nonna von Thomas de Padova hatte ich ein ähnliches Problem.

Dann konnte ich es nur schwer ertragen, dass physische und psychische Gewalt gegen Frauen hier als etwas scheinbar relativ normales abgetan wird, in das man am besten kleine Kinder mit hineinzieht. Fast schon höhnisch mutet der Kommentar des Vaters Nahids an, der sinngemäß sagt „Manchmal liebt einer eben mehr als der andere“. Was er wohl auch auf sich bezieht, der selbst seine Frau mehr liebt, als sie ihn. Allerdings wird er von ihr nicht misshandelt. Seine Tochter von ihrem Mann aber sehr wohl. Dieser Vergleich an sich und dass nichts davon durch die Figuren hinterfragt wird hat mich gestört.

Schade fand ich es auch, dass so wenig über das tatsächliche politische Geschehen berichtet wurde. Wir erleben durch Nahid zwar die Konsequenzen, aber ich lasse mich beim lesen gerne über Politik und Zeitgeschehen informieren. Hier müsste man bei Interesse viel selbst nachlesen.

Für die Kürze des Romans wurden mir insgesamt einfach zu viele Themen ausgepackt. Wir haben Nahids Krebserkrankung, die allein schon für einen Roman gereicht hätte. Dann ihre Vergangenheit mit Gewalt von Seiten des Staates, Flucht, Wurzellosigkeit, der Trennung von der Familie, Verlust der Schwester, häuslicher Gewalt und einen Mutter-Tochter-Konflikt über drei Generationen. Und all das aus der Perspektive einer unleidlichen Hauptfigur konnte mich einfach nicht packen. Es gab gute Stellen und das Thema verdient es ganz bestimmt literarisch verarbeitet zu werden, aber in dieser Form war es leider nicht meins.