Rezension

Gute Idee, mittelmäßige Umsetzung

Die Verlorenen -

Die Verlorenen
von Stacey Halls

Bewertet mit 3 Sternen

Eigentlich bin ich ja jetzt nicht so der Fan von historischen Romanen. Aber als ich DIE VERLORENEN als Überraschungspost erhielt und mir den Klappentext durchlas, dachte ich: „Oh, das klingt spannend. Dann wage ich mal den Versuch.“ Am Ende ist DIE VERLORENEN auch gar kein reiner historischer Roman, sondern eine interessante Mischung aus historischem Roman, Schicksalsgegebenheiten und einer Art Krimi.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die abwechselnd aus der Sicht der zwei Protagonistinnen Bess und Alexandra, geschrieben sind. Stacey Halls bringt sehr gut das Geschehen im 18. Jahrhundert rüber, die erheblichen Unterschiede zwischen der Unterschicht und der besser gestellten Gesellschaft. Die Autorin zeichnet ein rundes Bild der sozialen Unterschiede, beginnend beim ausfälligen Straßenjargon und der Kommunikationskultur der Oberschicht bis hin zu den unterschiedlichen Werten. Interessanterweise wechselt der Schreibstil von Stacey Halls auch zwischen den beiden Frauen. Während bei Bess eine gewisse Leichtigkeit mitschwingt, ist Alexandras Teil eher von einer fast schon erdrückenden Schwere und einer gewissen Überheblichkeit gekennzeichnet.

Stacey Halls schildert in DIE VERLORENEN sehr eindrucksvoll, dass, wenn man wie Bess in die „falsche“ Familie geboren wurde, nie wirklich eine Chance hat. Ich habe schon so etwas wie Mitleid mit ihr empfunden, wie Bess weder lesen noch schreiben kann, sich tagtäglich Stunde um Stunde abrackert und das Geld trotzdem vorne und hinten nicht reicht. Trotzdem scheint sie nie so wirklich unzufrieden, sie kennt ihren Platz im Leben und ist trotzdem ein sehr bodenständiger, gleichzeitig liebevoller Mensch.

Zu Alexandra will ich aus Spoilergründen nicht so viel sagen. Das ganze Buch über war sie sehr distanziert und kühl, je näher ich sie kennenlernte, desto weniger mochte ich sie. Ich wurde einfach nicht warm mit ihr und ihren Ansichten, mit ihrer selbstgewählten Abschottung und Verbarrikadierung. Sicherlich, die Erklärung, die Stacey Halls für Alexandras Verhalten liefert ist ein Stück weit nachvollziehbar, kratzt aber dennoch nur an der Oberfläche. Trotzdem verdient sie wohl so etwas wie Bewunderung, dass sie ihre Abschottung fast bis zum bitteren Ende durchzieht.

Zudem gibt es ein paar liebevolle Nebencharaktere wie Dr. Mead, Lyle oder Keziah, wohingegen Bess Bruder Ned noch unsympathischer ist als Alexandra und wohl als Bösewicht in dieser Story durchgehen kann.

Wie bereits erwähnt, mochte ich sehr, wie die Autorin die gesellschaftlichen Unterschiede darstellt. Das Cover mit dem Käfig ist dazu sehr passend, denn beide Frauen sind mehr oder wenigen gefangen in ihrer eigenen Welt und den zu der Zeit geltenden Konventionen. Leider ist der Spannungsbogen aber nicht konstant und gerade Alexandras ersten Teil fand ich sehr langweilig und langezogen, was mir das weiterlesen oft erschwerte. Auch fehlten mir bei ihr einfach die Emotionen.

Am Ende hatte ich auch etwas das Gefühl, wir haben hier zu viel Text für zu wenig Botschaft, denn keine der Frauen überwindet so richtig die Konventionen ihrer Zeit. Sicherlich beweist Bess einen großen Kampfgeist, aber am Ende bin ich unschlüssig, was genau die Autorin eigentlich erreichen wollte.

 

KURZ & KNAPP

Die Idee zu DIE VERLORENEN ist wirklich großartig und die Mischung aus historischem Roman, Krimi und Schicksalsschlägen ist Stacey Halls hier gut gelungen. Sehr gut fand ich auch die Darstellung der gesellschaftlichen Unterschiede im 18. Jahrhundert. Allerdings bin ich gerade mit Alexandra als Protagonistin nie warm geworden und ihren Teil fand ich sehr langezogen, worunter auch die Spannung litt. Am Ende war es auch mehr Text als Inhalt, sodass Stacey Halls zwar einen soliden Roman geschrieben hat, der aber noch einiges an Luft nach oben hat.