Rezension

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Gute Unterhaltung für Liebhaber bedrohlicher Settings und Thrillereinschlag!

Nach dem Sturm - Michael Smith

Nach dem Sturm
von Michael Smith

Kurzinhalt: Ganze Landesteile sind überschwemmt. Zwischen Texas und Alabama ist ein Leben kaum möglich. Und doch gibt es einige, die in diesem Katastrophengebiet geblieben sind und dort überleben versuchen. Cohen ist einer von ihnen, denn ihn hält der Tod seiner Frau an sein Haus gebunden. Doch er muss jeden Tag ums Überleben kämpfen, denn die meisten Menschen hier sind Betrüger, Mörder oder Gangmitglieder. Dann wird er überfallen und ihm wird das gestohlen, was ihm am liebsten ist: Die letzten Erinnerungsstücke an seine Frau. Er hat nichts mehr zu verlieren und wird angetrieben von: Rache. …

Ich mag ja Geschichten, die durch ein bedrohliches Setting entstehen. In „Nach dem Sturm“ ist das Setting eindeutig einer der antagonistischen Kräfte. Und dieser Antagonist ist nicht nur stark, sondern auch unberechenbar.
Regen. Nässe. Sturmböen. Noch mehr Regen. Noch mehr Nässe. Noch mehr Sturm.
Umgeknickte Strommasten. Leerstehende Häuser. Entwurzelte Bäume. 

So sieht die Gegend aus, in der sich Cohen durchschlägt. Aber verlassen will er seine Hütte nicht. Denn hier hat er vorher mit seiner Elisa gelebt und das Kinderzimmer, das er nie brauchen wird, ist noch nicht fertiggestellt. Obwohl Cohen eigentlich nichts hier hält, bleibt er. Obwohl die Regierung dieses Gebiet als unbewohnbar eingestuft hat, bleibt er. Das klingt jetzt unglaubwürdig, und doch kann man seine Entscheidung nachvollziehen. Denn er hat ein Päckchen zu tragen, ein schweres Paket, das er mit sich herumschleppt und so versteht man als Leser seine Entscheidung, in diesem trostlosen, überschwemmten, höchstgefährlichen Gebiet zu bleiben. Denn eine traurige Vergangenheit kann man nicht einfach mit Flutwasser abwaschen, eine traurige Vergangenheit schleppt man mit sich herum, es ist die Wunde, die Zeit braucht um zu heilen, die nicht einfach verschwindet.
Cohen ist eine interessante Figur. Einerseits stark, andererseits sehr verwundbar. Er kann kämpfen wie ein Mann, und leiden wie ein Mädchen. Diese Widersprüche runden die Hauptfigur wunderbar ab. Cohen wird lebendig, er leidet, er kämpft, er flüchtet, er hat all die Emotionen, die wir als menschlich betrachten. Und all diese Emotionen durchlebt er.

Und doch ist das Buch nicht emotional zu lesen. Denn es geht thrillermäßig weiter, als zwei weitere Figuren auftauchen, die anfangs ebenso als Antagonisten eingeführt werden. Aber auch hier ist der Widerspruch, der die Geschichte interessant macht. Der erste Schein trügt. Denn die beiden sind nicht freiwillig „Bösewichte“ und doch tun sie böse Dinge. Wie gesagt: anfangs. Der weitere Verlauf ändert nämlich den ersten Eindruck, den man von der Geschichte erhält. Er entwickelt sich zu einem typischen Thriller, in dem Kidnapping, Missbrauch, Erpressung, Mord, etc. vorkommt. Und doch liest es sich nicht ganz wie ein Thriller, weil es da ja noch das Setting gibt, das alle und jeden beeinflusst.

Stilistisch ist der Erzählstil an den Inhalt angepasst. Anfangs ist nicht nur das Wetter und die Umgebung düster und grau, auch die Worte wirken deprimierend auf den Leser. Und so bringt das Buch das Unwetter mitten ins Wohnzimmer.
Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt. Diese Aufteilung wäre nicht unbedingt notwendig, ist aber in Ordnung, weil sie ganz klar abgrenzen, dass es jetzt eine Wendung gibt. So zum Beispiel ist im ersten Teil das Setting tragend für die Geschichte, im zweiten Teil kommt eine Kommune hinzu, im dritten Teil …
Die Kapitel haben eine angenehme Länge, sie sind nicht zu kurz, nicht zu lang, sondern optimal für Unterbrechungen, aber genauso gut zum zügigen Lesen geeignet.

Das hat mir leider nicht gefallen:
- Es hat mich leider trotz des düsteren Settings nicht richtig packen können.
- Der Kommunenteil ist für meinen Geschmack überflüssig. Hier hätte eine andere Lösung bevorzugt, ist aber natürlich Geschmackssache.

Besonders überzeugen konnten mich folgende Aspekte:
+ Cohen ist eine interessante Hauptfigur, einerseits sympathisch, aber andererseits hart genug um in dieser Umgebung überleben zu können
+ Das Katastrophensetting bringt eine Endzeitstimmung mitten ins Wohnzimmer
+ Die Geschichte lässt sich trotz des düsteren Settings und dem ausgeklügelten Thrillerplot flüssig lesen.

Kurzfazit: Zwei Geschichen in einer. Einmal eine toll zu lesende Geschichte, die von einem bedrohlichen Setting ausgeht und dann gibt es auch noch einen Thrillerplot. Ein Buch für zwischendurch!