Rezension

Gutes Debüt

Seelengier - Susanna Montua

Seelengier
von Susanna Montua

Bewertet mit 4 Sternen

Die junge Mexikanerin Maria ist auf der Flucht vor ihrem Vater, einem Drogenbaron, der will, dass sie in sein Geschäft mit einsteigt. Nachdem er sie an ihren bisherigen Wohnorten stets aufgespürt hat, hofft sie, in der Anonymität LAs vor ihm sicher zu sein.
Das stellt sich leider als Trugschluss heraus, denn der smarte Jeff, in dem sie glaubt, einen Freund gefunden und dem sie sich anvertraut hat, hat den Auftrag, ihr die Seele zu rauben. So lange es ihm möglich ist, versucht Jeff, diesen Auftrag aufzuschieben, zum ersten Mal, seit er zum Seelensammler wurde und Menschen mit einer bloßen Berührung töten kann. Als Maria endlich begreift, in welcher Gefahr sie schwebt, läuft sie der Fitnesstrainerin Susan vor den Wagen, die gerade eine alles andere als tolle Zeit durchmacht: Ihr Liebesleben besteht aus Besenkammerquickies mit einem drogenabhängigen Kollegen und sie weicht ihren besten Freundinnen aus, weil sie der Gedanke an die bevorstehende Hochzeit einer der beiden nur noch mehr an ihr eigenes miserables Liebesleben erinnert.
So treffen diese drei ungleichen Charaktere zusammen und wirbeln ihre bis dato mehr oder weniger geregelten Leben gehörig durcheinander …
Seelengier ist ein sehr kurzweiliger Lesegenuss, den man in wenigen (wenn man Zeit hat oder schnell liest auch gut in einer) Sitzungen durch hat. Die Hauptfiguren sind jeder für sich sympathisch, je nach persönlichen Präferenzen der ein oder andere natürlich mehr oder weniger. Ich habe wirklich versucht, Jeff nicht zu mögen – ich meine, er ist und bleibt ein Killer – gelungen ist mir das aber nicht.
Die Nebenfiguren ließen mich größtenteils eher kalt, Ben, Susans Besenkammerkollege, war mir entgegen der Hauptfiguren einfach unsympathisch, von Susans Freundinnen war für mich nicht genug zu sehen, um mir hier eine große Meinung über sie zu bilden.
Tiffany, die Prostituierte, mit der Jeff zu Beginn des Romans eine Nacht verbringt, war mir ein wenig zu, nun, dämlich. Gerade von einer Frau ihres Metiers hätte ich nicht erwartet, dass sie ihren Verdacht, bei einem Killer im Haus zu sein, so offen anspricht und Antworten von ihm fordert, die eigentlich nur ihren Tod zur Konsequenz haben können.
Miss Woods hingegen fand ich von Anfang an gruselig und unheimlich. Da ich euch nicht spoilern möchte, bleiben meine Lippen diesbezüglich aber versiegelt.
Vermisst habe ich am Ende Jonathan, einen jungen Seelenfänger, den Jeff bei seinem Besuch bei seinem Boss kennenlernte und der noch ein, zwei bedeutende Auftritte hinlegte, eher er leider sang- und klanglos verschwand. Aus den Nebenfiguren stach der Junge wirklich heraus und zeigte viel Potential für eine größere Rolle. Kurz, nachdem ich das Buch zugeklappt hatte, fragte ich mich dann tatsächlich, was aus ihm geworden ist. Vielleicht besteht ja die klitzekleine Hoffnung, dass Seelengier nicht so alleinstehend bleibt, wie es das momentan ist?
Susanna Montuas Schreibstil liest sich größtenteils flüssig und sehr angenehm. Selbst in dieser düsteren fantastischen Geschichte schafft sie es auch, wunderschöne Bilder zu zeichnen. Ein Beispiel gefällig? Mein Lieblingssatz des Buches: »[...] wir brechen das Gewohnte. Wir sorgen für Sonne, wenn es regnet, und für den Sommer, wenn es schneit.« (S. 36)
Was mich sprachlich ab und an gestört hat, war die Inkonsequenz. Auf der einen Seite legt Susanna Montua viel Wert darauf, einen amerikanischen Flair zu versprühen, in dem Anreden, Titel und auch die Bezeichnung des Polizeipräsidiums alle auf Englisch gehalten werden. Dies hätte mich auch überhaupt nicht gestört, wenn sie nicht hier und da zu deutsch wurde. Da wurde es mal zu umgangssprachlich deutsch (»hat« statt »war«) oder aus der alten Mrs. Robinson wurde Oma (statt Grandma oder eben Mrs.) Robinson.
Die Auflösung am Schluss der Geschichte war logisch und durchdacht und das Finale spannend und ekelhaft und traurig und doch mit der nötigen Portion Hoffnung.
Seelengier ist nach den beiden humorvollen Autobiografieromanen der Autorin ihr erster Ausflug in die phantastische Literatur und wird sicher nicht der letzte bleiben. Das bleibt zumindest zu hoffen, denn das Buch macht auf jeden Fall neugierig auf weitere Geschichten, gerne auch, wie sie es hier schon sehr gut zeigt, mit einer ernsteren Stimme als bei ihren Tyranno-Büchern. Ich freue mich auf jeden Fall auf ein hoffentlich baldiges neues Buch der Autorin. Ein paar wenige Kritikpunkte, bei denen ich davon ausgehe, dass sie mit Zeit und Erfahrung künftig ausgemerzt werden, lassen mich dennoch einen Punkt abziehen.