Rezension

Hätte aus dem Thema mehr herausholen können

Insta Love - Nur perfekt ist gut genug - Tine Nell

Insta Love - Nur perfekt ist gut genug
von Tine Nell

Bewertet mit 3 Sternen

„Insta Love“ hat mich vom Cover her nicht wirklich angesprochen, da es mir persönlich zu mädchenhaft war, aber der Inhalt hat mich durch den Umgang mit sozialen Medien gleich interessiert. Von der Autorin Tine Nell kannte ich bisher auch nichts, weswegen ich mich sehr neugierig an ihr zweites veröffentlichtes Buch gemacht habe.

Wenn ich eins nicht leiden kann, dass ist es Arroganz und Oberflächlichkeit. Da der Inhalt in der Modewelt spielt, war die Gefahr groß, genau diese beiden Attribute zu bekommen, aber zum Glück waren wir mit Protagonistin Jules gleich auf einer ganz anderen Wellenlänge. Von der ersten Seite an ist sie sehr sympathisch, weil sie bodenständig, empathisch und loyal ist. Sie passt in diesen Zirkus überhaupt nicht rein, aber natürlich kann man ihr nicht vorwerfen, dass sie die Chance des großen Geldes sich geschnappt hat, auch wenn es nicht das absolute Glück für sie bedeutet. Gleichzeitig ist sie damit auch ein Teil der sozialen Medien, aber man merkt gleich, dass sie dort nur unterwegs ist, weil es in der Branche so üblich ist.

Damit wären wir auch beim Thema soziale Medien, zu dem ich mir inhaltlich ja viel erhofft habe. Man muss sagen, dass das Thema im ersten Drittel sehr präsent war. Gerade an ihrem Ex-Freund Dan wurde dargelegt, in welche Spirale Menschen kommen, wenn sie nur noch eine Realität für die sozialen Medien inszenieren, die aber gar nicht der Wahrheit entspricht. Es war auch gut, dass Jules nicht gleich als Gegnerin dargestellt wurde, sondern dass sie etwas Abstand genommen hat und die Prozesse kritisch hinterfragt. Im weiteren Verlauf der Handlung ist das Thema dann aber gänzlich untergegangen. Später ging es um die Presse allgemein, aber nicht mehr konkret um die sozialen Medien, die noch einmal ganz andere Wirkung haben. Hier hätte ich mir gewünscht, dass das Medium noch mehr involviert wird, dass Jules vielleicht das Medium nutzt, um mit ihm abzurechnen etc. Gerade bei dem Titel hätte ich mir einfach ein mehr gewünscht.

Dennoch bin ich mit der Geschichte deswegen nicht gleich unzufrieden, denn es wurden auch viele Dinge richtig gemacht. Neben der tollen Jules ist es auch ihr neuer Love Interest Paul, der tatsächlich genau der richtige Gegenpart zu ihr ist. Nicht umsonst nennt Ellie die beiden langweilig. Das trifft es, aber gleichzeitig wird hier auch unterstrichen, dass langweilig nicht schlecht sein muss, denn wenigstens ist man dabei echt und ruht in sich selbst. Deswegen fand ich es am Ende auch schön, wie beide dem öffentlichen Zirkus den Rücken kehren und sich beruflich ganz bodenständig verwirklichen. Man würde den Blumenladen als gesellschaftlich als Abstieg bezeichnen, aber sie machen das, wofür ihr Herz schlägt und sie werden damit tausend Mal glücklicher sein, als Geld einen je machen könnte.

Dennoch habe ich bei Paul auch zu meckern. Man merkte mit jeder Faser, dass er ein wirklich guter Kerl ist, der das Herz auf dem richtigen Fleck hat, aber seine Perspektive wurde nicht geschickt genutzt und gerade gegen Ende hin hat er sich nur noch lächerlich verhalten und spätesten hier hätte ein Blick in seine Gedanken zeigen können, um was es wirklich geht. Wie er sich so lange als Lückenbüßer fühlen kann, obwohl sie ihr gesamtes Leben umgekrempelt hat, war mir ein Rätsel. Zudem hat er eben ganz oft Kapitel aus seiner Sicht bekommen, die keinen Mehrwert hatten. Dort durfte er ein paar Dinge kommentieren, aber wirklich weiter ging es nicht. Gerade nach seinem ersten Kapitel, wo seine Familiensituation dargestellt worden ist, hätte man viel mehr hier rausholen können. Stattdessen bleibt er oft blass und spätestens als Dan meinte, ob er vielleicht das Foto gefälscht hat, habe ich tatsächlich Zweifel bekommen, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Genauso unnötig wie seine störrische Haltung am Ende. Etwas schade, dass er auf lange Sicht nicht mit Jules mithalten durfte.

Fazit: „Insta-Love“ ist von der Idee her wirklich süß und in seinem Resultat genau meinem Weltbild entsprechend. Leider hätte man sowohl aus den sozialen Medien, als auch aus Paul viel mehr rausholen können, wenn nicht sogar müssen. So bleibt leider nur ein durchschnittlicher Eindruck zurück.