Rezension

Hätte der Autor mal auf seinen Protagonisten gehört

Troubadour - Christoph Görg

Troubadour
von Christoph Görg

Bewertet mit 4 Sternen

Ich bin traurig. Traurig und sauer. Weil mich dieses Buch spaltet, wie es noch kein Buch geschafft hat. Wäre die Story in irgendeiner Weise mittelmäßig, könnte ich jetzt einen coolen Verriss schreiben, und weg damit. Warum? Warum muss er so etwas tun? Die Story ist genial. Voll von tollen Einfällen und Überraschungen, sprachlich makellos, mit einem untrüglichen Blick für eine geschickte, ja perfekte Dramaturgie, dazu immer wieder unglaublich komisch; ganz nebenbei lernt man eine ganze Menge Geschichtliches. Lange habe ich nicht mehr so einen Spaß gehabt beim Lesen. Was aber echt zum Himmel stinkt, ist das permanente pornographische Beizeugs. Das letzte Mal, dass ich etwas von dieser Härte anlas, trat es nach wenigen Kapiteln eine Reise ohne Wiederkehr in den Rundordner (Mülltonne) an. Diesmal aber musste ich durch, zum einen, weil ich mich zur Teilnahme an der Leserunde verpflichtet hatte und gerne Verpflichtungen einhalte, zum anderen, weil das Buch einfach grandios war ...

Worum geht's? Niki Wolff, ein einsamer Neunzehnjähriger, der gerade seinen Militärdienst absolviert, flüchtet an einem trüben Winterabend von der deprimierenden Veranstaltung, auf der sein verflossener Jugendschwarm Tina einen anderen geheiratet hat, auf die einsame Burgruine Dürnstein, um dort, am Sehnsuchtsort seiner Jugend, sein trauriges Los mit einer Flasche Wein zu begießen. Betrunken stürzt er an einer rutschigen Stelle ab und landet kopfüber - im Mittelalter. Unglücklicherweise hat er dort nach kurzer Zeit fast alle seine Erinnerungen an die Neuzeit verloren, so dass er auf der Burg noch nicht einmal sagen kann, wer er ist. Damit gilt er natürlich zunächst einmal als höchst suspekt. Denn auf der Burg wird ein prominenter Gefangener gehalten, um dessen Sicherheit man sehr besorgt ist ...

Dieses Buch erhebt von Anfang an nicht den Anspruch, ein hundertprozentig korrekter historischer Roman zu sein - was dem Lesevergnügen keinen Abbruch tut! Dennoch lernt man ungeheuer viel spannendes Historisches. Im noch "neuzeitlichen" Prolog gibt es ein paar kursiv gedruckte Einschübe, die, kurz und spritzig (manchmal sehr flapsig, aber immer auf den Punkt gebracht), dem Leser zu dem nötigen Schnellkurs in historischer Bildung verhelfen. Ganz am Schluss gibt es ein Nachwort, in dem einige erhellende Worte zum Thema Fakt und Fiktion fallen - auch das ein echter Pluspunkt! Was mich aber richtig wütend macht, ist, dass die zuvor bösartig verunglimpfte Eleonore von Aquitanien in diesem Nachwort mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt oder rehabilitiert wird. Das hat diese geniale Frau - eine der größten mir bekannten in der Geschichte des Abendlandes - nicht verdient.

Überhaupt, die Frauen, im Allgemeinen. Also man braucht als Frau schon ein dickes Fell bei diesem Buch. Was mich extrem nervt, ist, dass alle Mädels, die irgendwie ein bisschen interessant sind, sich ständig von irgendwelchen höherstehenden Kerlen besteigen lassen. Am Anfang drückt man ob der vielen Zoten ja noch das eine oder andere Auge zu und ordnet das schulterzuckend unter "Toleranz unverständlichen männlichen Lesevorlieben gegenüber" ab. Und manches von dem erotischen Zeugs ist sogar ganz charmant verpackt (also schreiben kann er wirklich). Aber muss wirklich jede noch so kleine Dorfszene mit den intimsten Details aus dem sexuellen Experimentieren der Dorfbewohner aufgepeppt werden? - "Danke, aber nein danke, dachte Niki. Man kann's auch übertreiben mit den ersten Malen." - Hätte der Autor mal auf seinen Protagonisten gehört.

Jedenfalls, Nikis lakonische Kommentare, in die sich oft flapsige Sprüche aus der Neuzeit geschlichen haben, sind immer wieder herzerfrischend. Immer wieder werde ich mit diesem verrückten Autor ausgesöhnt. Der Mann schreibt einfach phantastisch. Da sitzt jeder Satz. Da wäre es wirklich nicht nötig gewesen, den Roman, damit er auch wirklich gelesen wird, noch mit so vielen vulgären Sexszenen zu spicken. Dass die Erzählung mitunter auch recht blutrünstig ist, stört mich da weniger.

Am Rande sei auch noch erwähnt, dass sich der Goldegg-Verlag viel Mühe mit einer wunderschönen Aufmachung gemacht hat, angefangen bei einem sehr geschmackvollen Titelbild, über die edle Goldprägung auf dem inneren Einband bis hin zu den fein gestalteten Anfangslettern der einzelnen Kapitel, die die Erzählung eindrucksvoll graphisch abrunden.

Christoph Görg hat mit diesem Buch seinen Debütroman vorgelegt. Ein durchaus gelungenes Debüt, das auf mehr Werke aus derselben Feder hoffen lässt. Dem Autor ist dabei allerdings dringend zu raten, an der Feindosierung seiner Beischlafschilderungen und Zoten zu arbeiten, sonst hat er mich als Leserin für alle Zeiten verloren. Und jetzt muss ich gleich heulen, mann.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 21. November 2017 um 08:10

Leserbrief! Mindestens. Kannst du über den Verlag schicken! / Dann lies mal Timeline. Das ist dieselbe Story, nur viel besser! Wahrscheinlich hat der Autor auch Timeline gelesen und  - damit es nicht auffällt noch Pornografie verarbeitet. Sex sells. Ich verstehs auch nicht, zumal die meisten Buchkäufer Frauen sind. Aber, wie Archer, uns mit seiner Rezension zu einem Roman von M.K. vorführte, viele Frauenspersonen haben halt nur einen IQ von ungefähr 40. (Wenn Sarrazin seinerzeit behauptet hat, die Bevölkerung werde immer dööfer, kann er damit nur solchene Frauenspersonen gemeint haben ;-))): Du gehörst aber nicht dazu: Also schreib einen intelligenten, witzigen Leserbrief. Damit er auch sein Ziel findet.

 

Arbutus kommentierte am 21. November 2017 um 15:04

Nicht mehr nötig, Wandalein, der Autor weiß schon alles. Kannst ja unser nettes Tête-à-tête stalken, wenn Du magst ; ) Hier geht's zum Link:

https://www.lovelybooks.de/autor/Christoph-G%C3%B6rg/Troubadour-14539719...

Du wirst dort ganz erstaunliche Informationen finden, auch über das Buchlese- und Kaufverhalten von Leserinnen...

Aber mach mir den Roman nicht madiger als er ist. Bin schon traurig genug deswegen (*schnief*)

Deinen zweiten Absatz überlese ich mal lieber geflissentlich...

wandagreen kommentierte am 21. November 2017 um 17:17

Also, wenn stimmt, was der Autor behauptet, dann stimmt das mit dem IQ.

Arbutus kommentierte am 21. November 2017 um 21:22

Das Traurige ist ja, dass merkwürdiges Verhalten nicht unbedingt Rückschlüsse auf den IQ der betroffenen Personen zulässt. Traurig ist zudem auch, dass Du gerade genau das machst, was ich dem Autor vorgeworfen habe. Und jetzt muss ich gleich noch mehr heulen...

wandagreen kommentierte am 21. November 2017 um 23:17

Ach komm, Arbutili, nich heulen! Das liegt doch nur an meinem Zynismus. Die meisten Frauen sind toll, aber es gibt schon einige, die sonderbar sind und man denkt, sie seien sadomaso drauf. Da hilft doch nur Zynismus. Wenn man nicht schreien möchte.

Arbutus kommentierte am 22. November 2017 um 11:30

Naja, wenn ich hier auf WLD und überhaupt nur diejenigen respektierlich behandeln würde, die sich so verhalten, wie ich es für richtig halte, dann dürfte ich mit den meisten überhaupt nicht kommunizieren. Komm, lass uns das Thema beenden und lieber wieder über nicht vorhandene Prämien lamentieren ... ; )