Rezension

Hätte mir eine andere Umsetzung mit mehr Gefühl gewünscht

Café Leben -

Café Leben
von Jo Leevers

Bewertet mit 3 Sternen

„Café Leben“ von Jo Leevers. Ich wollte dieses Buch wirklich mögen, ich habe es WIRKLICH versucht. Leider ist es mir für dieses ernste Thema nicht tiefgründig genug gewesen. Die Geschichte an sich hat ein unheimliches Potential geboten, leider wurde das meiner Meinung nach nicht richtig ausgeschöpft.

Im Café Leben wird Geschichte geschrieben. Oder besser gesagt gleich mehrere Geschichten, Lebensgeschichten. Die Lebensgeschichten todkranker Menschen, die ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten noch etwas von sich mit auf den Weg geben wollen. Oder vielleicht auch einfach nur um mit sich im Reinen abzuschließen. Die Idee der Lebensbücher findet auf jeden Fall bei einigen Menschen Anklang und so stolpert Henrietta auf der Suche nach einem neuen Job in das Café Leben und möchte gemeinsam mit den Patienten ihre Lebensgeschichte aufschreiben. Wichtig für diesen Job ist in erster Linie, dass man Abstand zu den kranken Patienten hält. Man darf deren Krankheiten und die Geschichte dahinter nicht zu nah an sich heranlassen. Henrietta ist auch eigentlich eine Person, die diesen emotionalen Abstand gut waren kann. Denn seit sie in ihrer Kindheit mit einem schrecklichen Unfall konfrontiert wurde, versucht sie so wenig wie möglich zu fühlen und an sich heranzulassen. Bei einer ihrer Schützlinge für das Lebensbuch will ihr das aber so gar nicht gelingen… Annie, 66 Jahre alt, Krebs im Endstadium. Annie möchte sich so einiges von der Seele reden, bevor sie dazu nicht mehr die Möglichkeit hat. Deshalb möchte auch sie ein Lebensbuch im Hospiz erstellen lassen und spricht daher mit Henrietta über ihre Vergangenheit. Diese war auch alles andere als rosig. Ein gewaltsamer und manipulativer Ehemann, dessen schreckliches Ableben, Eltern, die sie nach dem Tod ihrer Schwester nur noch als Bedienstete angesehen haben und dann natürlich der unaufgeklärte Tod ihrer jüngeren Schwester vor so vielen Jahren. Bei dem rätselhaften Tod von Annies Schwester wird Henrietta hellhörig. Gleicht sich dieses Ereignis doch so sehr mit dem, mit welchem sie in ihrer Kindheit konfrontiert war. Schnell ist ihr klar, dass sie Annie noch eine letzte Gewissheit geben und den Tod ihrer Schwester aufklären möchte. Sie wühlt sich durch sämtliche Akten von vor 46 Jahren und fährt sogar an die Orte des Geschehens. Annie soll nicht aus dieser Welt scheiden, bevor sie nicht weiß, was ihrer Schwester damals kurz vor Weihnachten zugestoßen ist. Wird Henrietta es schaffen dieses Rätsel zu lösen? Was ist damals passiert und wer war daran beteiligt? Gibt es vielleicht doch noch Hoffnung auf eine Familienzusammenführung? Eine Leiche wurde schließlich nie gefunden…

Wie oben bereits erwähnt wollte ich dieses Buch wirklich mögen. Ich habe es versucht, da dieses ernste Thema eben auch so wichtig ist. Auch den Grundgedanken mit den Lebensbüchern für die Hinterbliebenen finde ich wirklich großartig. Allerdings merkt man in diesem Buch sehr deutlich, dass es bei dieser Aktion nur darum geht den Schein zu wahren. Man möchte etwas Positives für sterbende Menschen und deren Angehörige tun, aber bitte nicht mehr als das, was der Leitfaden vorschreibt. Für mich ein absoluter Aufreger! Henrietta hat da schon etwas über den Tellerrand hinausgeschaut und das fand ich klasse. Sie hat sich nicht in einen Leidfaden pressen lassen, denn man kann die einzelnen Menschen mit deren Leben nicht auf so einen Leidfaden mit seinen Fragen reduzieren. Hier haben wir jetzt allerdings auch den Knackpunkt, der die Geschichte für mich so schwierig machte. Ist Henrietta überhaupt in der Position Nachforschungen anzustellen über eine Frau, die sie gar nicht kennt? Rein durch Annies Erzählungen und um ihren eigenen Seelenfrieden zu machen, stürzt sie sich kopflos in die Recherche. Was Annie dabei fühlen könnte, ist hier an erster Stelle völlig egal. Sie greift damit in deren Privatsphäre (finde ich zumindest). Am Ende kommt (vielleicht, hier möchte ich nicht spoilern ;)) etwas Gutes dabei raus, aber ich fand diese Vorgehensweise schon fragwürdig. Generell finde ich man hätte hier mehr Emotionen aufbauen können. Geschrieben wurde hier übrigens abwechselnd aus der Sicht von Annie und der von Henrietta. So bekam man von beiden Seiten genug an Daten mit und wurde auch über die Gefühle der Protagonisten gut informiert. Das Thema ist ernst und heikel, bei mir kam aber leider nicht so viel Gefühl rüber, wie ich es mir gerne gewünscht hätte. Die Story an sich finde ich klasse, etwas anders umgesetzt hätte sie mir allerdings besser gefallen.