Hätte tiefer gehen müssen

Otto
von Dana von Suffrin

Bewertet mit 3 Sternen

Selten war ich so ratlos, was ich von einem wirklich schön geschriebenen Buch halten soll.  
Der Schreibstil ist wunderbar. Dana von Suffrin kann mit Worten jonglieren, hat einen köstlichen Humor, Einfühlungsvermögen und gute Ideen. Otto, der kauzige Patriarch einer jüdischen Familie, ist eine genial skurrile Romanfigur mit Witz, Charme und Charakter, die unendlich viel erlebt und erlitten hat. Leider erfährt der Leser davon nur sehr wenig.

Hier berichtet seine Tochter Timna über Episoden aus seinem und ihrem Leben, die leider etwas wahllos wirken. Ja, sie spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, das ist schön und unterhaltsam, aber man wünscht sich bald, es hätte ihr jemand einen roten Faden an die Hand gegeben. 

Sie erzählt uns ein bisschen von allem, aber nichts richtig, greift wahllos irgendwelche banalen Szenen auf. Man hat das Gefühl, von grundsätzlich sehr originellen Menschen zu lesen, über die man aber nur Banalitäten erfährt. Otto hat Kriege miterlebt, die hier, wie auch andere einschneidende Ereignisse in seinem Leben, kurz erwähnt und dann beiseite geschoben werden.
In gewisser Weise ist so etwas authentisch. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste Dritten über meine Eltern erzählen, käme auch eher Alltägliches auf den Tisch als die Kriegserlebnisse, aber ich schreibe auch kein Buch darüber.

Unterm Strich lernt man eine Familie kennen, die von ihrem despotischen Vater gegängelt aber auch geliebt wird, die ihm seine Schrullen nachsieht und die in jüdischen Familientraditionen verhaftet ist. Das rührt ein klein wenig an, hätte aber unendlich viel tiefer gehen können und müssen.
Die Idee bietet Stoff für ein gewaltiges Familienepos, man hätte eine fette Trilogie daraus machen können, bekommt hier aber nur das Exposee.