Rezension

Hättest du es gewusst?

Du hättest es wissen können - Jean Hanff Korelitz

Du hättest es wissen können
von Jean Hanff Korelitz

Grace Reinhardt Sachs ist eine selbstbewusste, erfolgreiche (Paar-)Therapeutin, die mitten im Leben steht und deren Beziehungsratgeber „Du hättest es wissen können“ bereits mit Spannung erwartet wird. Grace wird von der Vogue interviewt, sie ist gefragt und die Menschen vertrauen auf ihre guten Ratschläge. Als jedoch eine Bekannte von Grace tot in ihrer Wohnung aufgefunden wird und zwei Detectives Grace dazu befragen, wo sich ihr seit einigen Tagen verschwundener Ehemann aufhalte, gerät die Welt dieser so kompetenten Psychologin komplett aus den Fugen. Die Frage, was sie hätte wissen können, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch.

Ich ging mit hohen Erwartungen an dieses Buch heran, versprach mir viele Erkenntnisse und vor allem viel Stoff zum Nachdenken. Und diesen habe ich definitiv auch bekommen.

Die Autorin schreibt mit einer Eindringlichkeit, mit einer atmosphärischen Dichte, die die zwischenmenschlichen Spannungen, die pure Verzweiflung und die vielen Widersprüche in ihrer ganzen Rätselhaftigkeit greifbar macht. Es ist eine ganz besondere Kunst, wenn ein Autor es schafft, mich als Leserin so mitzureißen, mich so zu bewegen und so mitzunehmen, als wäre ich die Protagonistin selbst, als würde ich ihr Leben führen, obgleich wir doch so grundverschieden sind und eigentlich nichts gemein haben.

Besonders bemerkenswert ist auch, mit welch unglaublicher Stringenz die Autorin diesen Roman aufgebaut hat. Die Geschichte ist in dir drei klassischen Teile „Davor“, „Währenddessen“ und „Danach“ eingeteilt und man kann sehr gut erkennen, dass die Autorin keine unnötigen Informationen über die Protagonisten und ihr Umfeld einfach so gedankenlos mal dazugeschrieben hat, sondern dass jedes Detail, das in den Anfängen eingeführt wird und als so belanglos erscheint, am Ende noch einmal aufgegriffen wird und plötzlich eine ganz andere, tragende Bedeutung erhält. Jean Hanff Korelitz ist also der Spagat zwischen einem nicht ausschweifenden und doch sehr deskriptiven Stil gelungen, der den Leser nicht langweilt und überfordert, sondern ein authentisches, umfassendes und menschliches Bild von den Protagonisten zu vermitteln vermag.

Alles in allem würde ich dieses Buch auf jeden Fall weiterempfehlen, denn ich bin sehr froh, dass ich es gelesen habe. Man lernt so viel über den Menschen selbst, man lernt viel über seine eigenen Illusionen, die man sich tagtäglich mit aller Kraft aufrechterhält, man begreift, dass zwischenmenschliche Beziehungen stets unvollkommen sein werden und dass man im Grund nichts hätte vorher wissen können. Dieser Geschichte hat es an nichts gemangelt, weder an Spannung, noch an gutem Stil oder einer wichtigen Botschaft.