Rezension

Hamburg, Speicherstadt, 1919

Der Glanz der neuen Zeit - Fenja Lüders

Der Glanz der neuen Zeit
von Fenja Lüders

Bewertet mit 5 Sternen

Der 1. Weltkrieg ist vorbei, die Firma Kopmann & Deharde hat sowohl den Krieg als auch die nachfolgende Inflation überstanden, im Kaffeekontor befindet sich jedoch nicht mehr eine einzige Kaffeebohne. Auch wenn der Krieg vorbei und die Seeblockade der Engländer aufgehoben ist, gibt es nur wenige deutsche Handelsschiffe, die Waren liefern und da vor allen Dingen Produkte des täglichen Lebens und keine Luxusgüter wie Kaffee. Trotzdem gehen Mina und ihre Schwester Agnes jeden Tag ins Kontor um nach dem Rechten zu sehen.

In Kürze wird Frederik Lohmeyer, Minas Ehemann, aus Berlin zurückerwartet. Mina und Frederik haben kurz vor dem Tod von Karl Deharde geheiratet, weil das die einzige Möglichkeit war, die Firma in der Familie halten zu können, denn Mina hat als Frau keinen Zutritt um an der Kaffeebörse zu handeln.

Frederik Lohmeyer hält sich noch immer in Berlin bei der Armee auf, fordert jedoch regelmäßig seine ihm zustehende Apanage. Darüber hinaus interessiert er sich eher nicht dafür, wie es seiner Frau und seiner Tochter geht bzw. ob und wie die Geschäfte wieder anlaufen.

Mina möchte endlich wieder mit Kaffee handeln und so bittet sie ihren Schwiegervater in Guatemala um Hilfe. Schließlich muss es ja irgend einen Nutzen haben, dass ihr Ehemann der Sohn eines Kaffeeplantagenbesitzers ist. Frederik Lohmeyer ist über diese Kooperation nicht sehr erfreut und als ihm Mina dann auch noch den Geldhahn zudreht, zeigt sich endlich sein wahrer Charakter.

Mit Hilfe von guten Freunden schafft Mina es jedoch auch weiterhin, die Zügel der Firma nicht aus der Hand zu geben.

„Der Glanz der neuen Zeit“ ist der 2. Band der Speicherstadt-Saga. Das Buch ist Teil einer Trilogie, kann aber durchaus auch für sich alleine gelesen werden. Um die Hintergründe zu verstehen – und weil die Geschichte so schön ist - empfiehlt es sich jedoch, zuvor Band 1 zu lesen.

Die Autorin hat es auch hier wieder geschafft, den Charakter ihrer Protagonisten authentisch und lebensecht zum Leser zu transportieren.

Mina ist zu einer starken Frau herangewachsen und lässt sich kein X für ein U vormachen. Sie ist Mutter einer 20 Monate alten Tochter. Ella wird von Fräulein Brinkmann betreut, die schon die Erzieherin von Agnes und Mina war und die im Hause Deharde eine ganz besondere Stellung eingenommen hat.

Minas Vater hat immer gesagt, sie habe den Kaffee im Blut und so wundert es nicht, dass die Kooperation zwischen Vater Lohmeyer und Mina zustande kommt und Mina alle Hebel in Bewegung setzt, dass der Kaffee den weiten Weg von Guatemala nach Hamburg auf einem Schiff antreten kann. Zur damaligen Zeit war nicht nur der Handel an der Kaffeebörse für Frauen untersagt, nein, auch für Bankgeschäfte brauchten sie die Erlaubnis ihres Ehemannes. Mina schafft es auch ohne ihren Ehemann, einen Kredit zu bekommen.

Das Leben wäre jedoch sehr viel schwerer zu ertragen, wenn Mina nicht gute Freunde hätte. Da ist Heiko, der Bruder von Edo, mit dem Mina schon seit vielen Jahren in tiefer Freundschaft verbunden ist.

Irma von Gusnar, ihre beste Freundin aus dem Mädchenpensionat, quartiert sich für einige Zeit bei Mina und ihrer Familie ein und ist ihr sowohl in geschäftlichen, als auch in Herzensangelegenheiten eine große Hilfe.

Das Verhältnis zu ihrer Schwester Agnes ist sehr eng. Im Gegensatz zum 1. Buch „Der Duft der weiten Welt“ gibt es dieses Mal keine Eifersucht auf den jeweils anderen und die beiden Frauen ergänzen sich sehr gut. Agnes hat den besseren Draht zu Großmutter Hiltrud, was hin und wieder von Nutzen ist.

Auch Großmutter Hiltrud hat eine Wandlung durchgemacht. Sie ist sehr viel sympathischer als in Band 1 und sie stärkt sowohl Mina als auch Agnes den Rücken. Gerade mit ihrem Verhalten bezüglich Frederik Lohmeyer hat sie mich überrascht – aber .. die Zeiten ändern sich und damit auch die Menschen.

Auch Edo taucht wieder auf. Kurz nachdem er Deutschland verlassen hat um nach Amerika auszuwandern, wurde auch er an die Waffen gerufen. Leider war der Krieg nicht gnädig mit ihm und er kehrt als menschliches Wrack nach Hamburg zurück. Gerade der Handlungsstrang von Edo war es, bei dem ich öfter mal darüber nachdachte, ob sich das wirklich so zugetragen haben könnte. Mir erschien hier die eine oder andere Sache etwas unglaubwürdig, das kann aber durchaus auch subjektiv sein.

Alles in allem ist „Der Glanz der neuen Zeit“ wieder ein tolles Buch, geschrieben von der Autorin Fenja Lüders. Der Schreibstil ist einfach zu gut zu lesen, die Geschichte entwickelt sich fortlaufend weiter und man möchte gar nicht mehr aufhören zu lesen.

Der 3. Teil „Der Traum von Freiheit“ erscheint leider erst am 25.06.2021, bis dahin muss ich mich gedulden.