Rezension

Hamburg zu Zeiten der Cholera

Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals - Rebecca Maly

Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals
von Rebecca Maly

Bewertet mit 5 Sternen

Fünf spannende Charaktere die miteinander verwoben sind. Die Cholera wird erschreckend lebendig beschrieben. Die Geschichte konnte mich voll überzeugen.

Der Roman „Die Krankenschwester von St. Pauli – Tage des Schickals“ von Rebecca Maly ist der Auftakt der „Die Krankenschwester von St. Pauli“ Trilogie und umfasst die Jahre 1885 – 1892 in Hamburg.

Svantje Claasen wächst im armen und überfüllten Gängeviertel von Hamburg auf. Sie möchte unbedingt Krankenschwester werden und setzt alles daran ihren großen Traum zu verwirklichen. Eines Tages begegnet sie Friedrich Falkenberg und die beiden verlieben sich. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern, da sie aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen. Es sind unruhige Zeiten in Hamburg, die Sozialisten gewinnen an Macht und die Arbeiter fordern mehr Rechte. Außerdem bricht die Cholera aus.

Meinung:

Das Buch wird aus der Sicht von fünf Protagonisten in der 3. Person, also einem personalen Erzähler erzählt. Häufig ist diese Erzählform recht distanziert, da man keinen direkten Bezug auf die Gefühle und Gedanken der Personen erhält, dieses Problem konnte die Autorin aber wunderbar umschiffen. Ich konnte schnell eine Verbindung zu jedem aufbauen und mit ihnen mitfiebern. Natürlich hat man bei fünf Perspektiven die ein oder andere Erzählung lieber und findet diese spannender als andere. 

Svantje die Krankenschwester, die sich in Tuchhändler Friedrich verliebt. Sie kommt sicherlich am häufigsten zu Wort. 

Raik ist der Jugendfreund von Svantje und ebenfalls im Gängeviertel aufgewachsen. Er arbeitet in der Werft von Familie Harkenfeld und möchte bessere Bedingungen für die Arbeiter.

Friedrich ist Tuchhändler und stammt aus gutem Hause, er überlegt mit seiner Familie zu brechen, wenn sie seine Liebe zu Svantje, die deutlich unter seinem Stand ist, nicht akzeptieren. 

Richard Harkenfeld, seiner Familie gehört die Werft, deren Leitung er eines Tages übernehmen soll. Doch sein Vater und er sind sich uneinig wie die Leitung und der Umgang mit den Arbeitern aussehen soll.

Hilde ist die Schwester von Richard und ziemlich verwöhnt. Sie ist nur ein Spielball ihres Vaters und soll so verheiratet werden, dass die Familie und das Geschäft am meisten davon profitieren.

Ich mochte besonders Svantje, sie hat das Herz am rechten Fleck. Sie ist trotz ihrer Lebensumstände immer positiv. Sie liebt ihre Familie, opfert sich aber auch für andere auf. Überraschenderweise habe ich auch Hilde sehr ins Herz geschlossen, sie macht eine tolle Entwicklung durch und ich bin gespannt wie es mit ihr in den Folgebänden weitergeht. Des Weiteren war es toll zu verfolgen, wie diese fünf Einzelschicksale miteinander verwoben sind und Einfluss auf einander nehmen.

Ich war von Anfang an gefesselt. Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen. Ich konnte direkt eintauchen in die Geschichte. Die Autorin beschreibt alles sehr bildlich. Hamburg, die Arbeit am Hafen und die Gängeviertel sind lebendig geworden. Der erste Teil des Buches ist dazu da, um die Personen besser kennenzulernen. Was ich bedauert habe, waren die teilweise großen Zeitsprünge. Ich hätte gerne mehr über Svantje und Raiks Jugend gewusst, wie die beiden sich näher anfreunden. Dies wird zwar erwähnt, aber nur angekratzt. Svantjes Lehrjahre werden komplett übersprungen. Da fehlt mir die Tiefe und Ausführlichkeit. So hätten die Charaktere auch noch mehr Tiefe erhalten. Ich mochte auch sehr die Liebesgeschichte zwischen Svantje und Friedrich.

Der zweite Teil befasst sich mit der Choleraepidemie, da flogen die Seiten nur so dahin. Das war wahnsinnig toll und erschreckend beschrieben. Der langsame Ausbruch und der Versuch es zu ignorieren. Es war fesselnd, bedrückend und bildgewaltig. Die Autorin hat mich richtig gepackt und ich sah den heißen Sommer, die vielen Sterbenden und den Karren voller toter Menschen praktisch vor mir. Das war ein riesiger Pluspunkt, da die Arbeit der Ärzte aber auch die Arbeit als Krankenschwester nur sehr vage beschrieben wird. 

Zum Ende kommen noch ein spannendes Abenteuer und eine Offenbarung dazu, die dem Ganzen nochmals zusätzlich Spannung verleihen und extreme Lust machen auf den zweiten Teil.

Ich finde den Klappentext etwas ungünstig. Ich hatte anhand des Textes eine Geschichte erwartet, die sich nur um Svantje und ihre Arbeit als Krankenschwester dreht. Ich wurde wirklich positiv überrascht, denn die Story ist viel mehr als ich erwartet habe. Es geht vor allem um Klassenunterschiede und die Ungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich. Aber auch um arrangierte Ehen, Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, Liebe, Familie und Freundschaft. 

Teil 2: „Die Krankenschwester von St. Pauli – Wandel der Zeit“ erscheint im Juni 2020

Teil 3: „Die Krankenschwester von St. Pauli – Jahre es Aufbruchs“ erscheint im August 2020

Fazit: Ein toller historischer Roman, den ich an einem Nachmittag verschlungen habe und nicht mehr aus der Hand legen konnte. Wer einen reinen „Krankenhaus“- Roman erwartet ist hier falsch, die Epidemie und die Arbeit als Krankenschwester sind nur ein Teil dieser Geschichte. 

Mich konnte das Buch wunderbar unterhalten und daher gibt es von mir eine klare Kaufempfehlung und verdiente 5 Sterne.