Rezension

Harald in fremden Diensten fern der Heimat

Herrscher des Nordens - Odins Blutraben - Ulf Schiewe

Herrscher des Nordens - Odins Blutraben
von Ulf Schiewe

Bewertet mit 5 Sternen

Im zweiten Band der Trilogie um den großen Norwegerkönig Harald Hardrada treffen wir ihn und seine treuen Gefährten als Söldner im Dienste des Fürsten Jarisleif wieder.
Nachdem sein einstiger Feind Kalfr mit einer Abordnung am Fürstenhof erscheint, um den jungen Sohn des bei Stikla Stad gefallenen Königs Olaf in die Heimat zu bringen, um ihn dort zum Nachfolger seines Vaters zu machen, wird es auch für Harald Zeit aufzubrechen. Jarisleif sendet ihn in den Süden, nach Kiew, um sich dort um das Schlangenbollwerk zu kümmern, den Verteidigungswall südlich der Stadt, das in der Vergangenheit immer wieder von den Petschenegen, einem wilden und grausamen Steppenvolk bedroht wurde.
Doch gestaltet sich Haralds vermeintlicher Erholungsaufenthalt zu einem kriegerischen Albtraum, der ihm auch persönliche Verluste beschert. So beschließt er weiterzuziehen in das reiche, sagenumwobene Midgard, das heutige Istanbul, um den dortigen Herrschern seine Dienste anzutragen. Nicht nur möchte er eine aufwühlende Etappe seines Lebens hinter sich lassen, sondern sich so viel Silber wie möglich verdienen, das es ihm schließlich ermöglichen soll, in die ferne Heimat zurückzukehren, um dort seinen Thronanspruch geltend zu machen.
Doch dass der Weg zum Ziel ein langer und beschwerlicher sein wird, auf dem Harald auch unter einem neuen Herrscher viel Unbill zu erleiden und Kämpfe auszufechten hat, ist vorauszusehen...

In "Odins Blutraben" gewährt Ulf Schiewe einen weiteren Einblick in Harald Hardradas spannendes und abenteuerliches Leben. Gestützt auf die Quellen, in denen der große Norwegerkönit und seine Taten Erwähnung finden, erschafft der Autor seinen eigenen Harald, der keineswegs im Widerspruch zu der authentischen Person stehen mag, die in den Geschichtsbüchern Eingang gefunden hat: ein facettenreicher Charakter, der auch im vorliegenden zweiten Band immer wieder seine Führungsqualitäten unter Beweis stellt, der gelernt hat abzuwägen und besonnen und vorausschauend zu agieren, der aber auf der anderen Seite erbarmungslos gegen seine Feinde oder die Feinde der Herrscher, denen er dient, vorgeht, der als Söldner unschuldige Menschen töten und ihre Dörfer niederbrennen lässt.

Ja, Ulf Schiewes Harald ist eine Figur, der man Sympathie entgegenbringt, der man gleichzeitig aber auch kritisch gegenüberstehen muss, wenn man vom heutigen moralischen Standpunkt ausgeht. Wobei man allerdings nie die Zeit, in der Harald gelebt hat, das 11. Jahrhundert nämlich, und die damaligen Gepflogenheiten und Moralvorstellungen aus dem Auge verlieren darf.

Harald ist der Protagonist schlechthin in der Trilogie, die auch aus seiner Warte erzählt wird. Er ist dementsprechend exakt und vielschichtig gezeichnet. Doch gilt genau dies auch für die vielen weiteren Akteure, die man allesamt näher kennenlernt und von denen man sich ein aussagekräftiges Bild machen kann. Jeder Charakter, die positiven wie die negativen, ist klar umrissen, hat seinen festen Platz und erhält entsprechenden Raum. Man sieht die Romanfiguren vor sich, liebt sie, hasst sie, zittert um sie oder sieht sie mit Befriedigung ihre gerechte Strafe bekommen.

Zusammen mit seinen Charakteren erweckt der erzählbegabte und geschichtskundige Autor eine längst vergangene Zeit zu neuem Leben, die er mit den vielfältigsten historischen und kulturellen Hintergrundinformationen füllt, mit lebhaften Beschreibungen von Landschaften, Städten, Menschen verschiedener Schichten in ihrem Alltag, und der Dinge, mit denen sie sich umgaben, so dass es dem Leser unwillkürlich ein Gefühl des Dabeiseins, des Mittendrinseins beschert.
Was kann man sich mehr wünschen von einem historischen Roman? Diesen hier kann ich nur als großartig gelungen bezeichnen!