Rezension

Harte Schale, weicher Kern …

Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Der Zopf meiner Großmutter
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

In Deutschland ist es auch nicht besser als in Russland, stellt Großmutter nach ihrer durch einen Trick erschlichenen Aussiedlung fest. Jetzt leben sie umgeben von Juden im Wohnheim und sind auf deutsche Almosen angewiesen. Auch die deutschen Ärzte sind unfähig, können sie doch keine der vielen Krankheiten feststellen, die Mäxchen, ihr sechsjähriger Enkel, ihrer Meinung nach hat. Er ist zurückgeblieben, ein schwacher Krüppel und debiler Idiot, den sie ständig von Keimen, Bakterien und anderen schädlichen Einflüssen fernhalten muss meint Großmutter, und dessen Magen nur von ihr selbst zubereitetes Püriertes verträgt. Für Max wird die Situation erst etwas besser, als sie die Klavierlehrerin Nina mit ihrer Tochter Vera kennen lernen. Großvater verliebt sich auf den ersten Blick in Nina und beginnt, als er ihr auf Großmutters Befehl beim Umzug helfen muss, ein Verhältnis mit ihr. Da Großmutter ihre einzige Aufgabe darin sieht, sich um ihren Enkel zu kümmern, merkt sie zunächst nicht, was um sie herum vorgeht  … 

Alina Bronsky (der Name ist ein Pseudonym) wurde 1978 in Jekaterinburg, dem damaligen Swerdlowsk in der UdSSR, geboren. Als sie 12 Jahre alt war, wanderte ihre Familie nach Deutschland aus. Sie arbeitete später als Werbetexterin und Redakteurin beim Darmstädter Echo, nachdem sei ein begonnenes Medizinstudium abgebrochen hatte. Alina Bronsky ist Mutter von vier Kindern. Der Vater ihrer ersten drei Kinder verunglückte 2012 tödlich in den Walliser Alpen. Heute lebt sie mit dem Theater- und Filmschauspieler Ulrich Noethen, von dem sie eine Tochter hat, in Berlin-Charlottenburg.

Ein Feuerwerk aus ätzendem Humor und tragisch-komischen Ereignissen hat die Autorin mit diesem Buch abgeliefert. Sie lässt Max, der im Laufe der Geschichte vom Sechsjährigen zum Teenager heranreift, selbst erzählen. Dabei wird klar, dass der Junge keineswegs geistig behindert ist und einen sehr klaren, wachen Verstand hat. Messerscharf erfasst er das Geschehen und erzählt altersgerecht, oftmals kritisch und anklagend, meist aber voller  Verständnis und mit liebevollen Gefühlen für die Großeltern. Auch die Großmutter hat ein Herz, auch wenn sie gründlich versucht, es unter einer harten Schale zu verbergen.

Sehr wohltuend ist auch zu vermerken, dass nur wenige Protagonisten in die Geschichte eingebunden sind. Dadurch lässt sich das Buch zügig lesen und man verliert nie den Überblick: Großmutter, die den Eindruck einer bösartigen alten Frau erweckt, sich aber im Verborgenen äußerst hilfsbereit zeigt – Großvater, der zu Hause nur nickt oder den Kopf schüttelt, da er es längst aufgegeben hat, gegen seine Frau aufzumucken, außer Haus aber ganz andere Seiten zeigt – Max, an dem glücklicherweise die verächtlichen Worte der Großmutter abprallen und der trotzdem liebevoll von ihr spricht – Nina, die anfangs recht unsichere alleinlebende Frau mit Kind, die aber zu einer selbstsicheren Frau heranreift – und Vera, ihre Tochter, die sich vom bösen kleinen Mädchen zum netten Teenager wandelt.

Fazit: Eine außergewöhnliche Geschichte, die von absurder Situationskomik lebt, die aber dennoch berührt und nachdenklich macht und die ich gerne weiter empfehle!