Rezension

Harte Zeiten

Tage des Lichts - Ulrike Renk

Tage des Lichts
von Ulrike Renk

Bewertet mit 5 Sternen

„...Warum tut niemand etwas dagegen? Die Welt müsste doch aufstehen, müsste sich erheben gegen Hitler und seine Schergen...“

 

Es sind Ruths Worte, Worte einer vorsichtigen Anklage. Die 18jährige Ruth ist Jüdin. Ihr ist es 1939 gelungen, eine Anstellung in England zu bekommen. Nun setzt sie alle ihre Kraft dafür ein, ihre Eltern und ihre jüngere Schwester Ilse nachzuholen. Ihr bleibt nur wenig Zeit, dann ist eine Entlassung ihres Vaters aus dem KZ nicht mehr möglich.

Es handelt sich um den dritten Teil der Familiensaga. Obwohl ich die Vorgängerbände nicht kenne, hatte ich kein Problem der Handlung zu folgen.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er ist ausgereift und gibt die Zeitverhältnisse anschaulich wieder.

Ruth ist in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen. Ihr Leben in England stellt sie vor völlig neue Anforderungen. Sie ist Hausmädchen, Kindermädchen, Köchin und Magd auf einem Bauernhof. Olivia, die Bäuerin, hat die Arbeit nicht erfunden. Sie wähnt sich als etwas Besseres. Allerdings weiß sie, dass die Arbeit für Ruth überlebenswichtig ist – und das nutzt sie gnadenlos aus. Freddy, der Bauer, dagegen zollt Ruth Anerkennung und steht ihr in wichtigen Situationen zur Seite. Ruth schickt sich in ihr Los. Ihrer Schwester Ilse gegenüber äußert sie später:

 

„...Ich mache es auch für euch, aber erst einmal mache ich es wohl für mich. Ohne diese Arbeit wäre ich nicht hier. Ich. Und es war bis zuletzt nicht klar, ob ihr würdet kommen können...“

 

Ruths Sehnsucht nach der Familie ist in jeder Szene spürbar. Auch nach deren Ankunft in England wohnen sie weit von ihr weg. Ruth ist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt an ihre Arbeitsstelle gebunden. Doch mit der Zeit gewinnt sie an Selbstbewusstsein.

Mit einem aber hatte sie nicht so gerechnet. Selbst in England trifft sie auf Antisemitismus. Treffend ist ein Gespräch, dass sie im Zug mit einem jungen Mann führt:

 

„...Nein, Sie haben mich nicht beleidigt. Sie haben mich in eine Schublade gesteckt und das, ohne mich zu kennen...“

 

Bei dieser Zugfahrt haben beide viel voneinander und zum Thema Vorurteile gelernt.

Und dann beginnt der Krieg. Ruths Angst nimmt zu. Sie möchte so weit weg wie möglich und hofft, dass eine Weiterreise nach Amerika möglich ist.

Gleichzeitig erfahre ich, wie sich England auf den Krieg vorbereitet. Im Dorf ist es die Hauptaufgabe, so viele Vorräte wie möglich anzulegen. Bei Fliegeralarm legt man sich in einen Graben.

Zu einem der sprachlichen Höhepunkte gehört Ruths Gespräch mit Edith. Die ist ebenfalls Jüdin, kann sich aber für andere Familien einsetzen, weil ihr Mann für die britische Regierung arbeitet. Sie erklärt Ruth:

 

„...Die jüdische Seele unterscheidet sich von allen anderen Seelen. Wir sind keine Rasse, kein Volksstamm mehr, wir teilen einen Glauben, und mit dem Glauben teilen wir auch ein Schicksal...“

 

Ab und an lässt mich die Autorin einen Blick nach Krefeld werfen, wo der Rest der Familie und gute Bekannte leben. Es sind Blicke auf eine Welt von Angst, Ausgrenzung und Diskriminierung.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich werde mit Sicherheit die ersten Bände noch lesen. Mit den letzten Worten aus dem nachwort möchte ich meine Rezension beenden:

 

„...Lassen Sie nie wieder das geschehen, was damals hier passiert ist, und es sollte nirgendwo in der Welt geschehen. Niemals mehr...“