Rezension

Harter Tobak

Der Schrei des toten Vogels - Barry Eisler

Der Schrei des toten Vogels
von Barry Eisler

Bewertet mit 3.5 Sternen

Livia Lone bearbeitet bei der Kriminalpolizei in Seattle Fälle von Menschenhandel und sexueller Gewalt. Wenn Kinder die Betroffenen sind, ertragen ihre Kollegen ihre Arbeit nur schwer, so landen diese Fälle immer wieder bei Livia. In ihrer Freizeit betätigt Livia sich abseits des Dienstwegs, effektiv und bislang unentdeckt, als Rächerin gegenüber Vergewaltigern, die ihrer Ansicht nach vor Gericht zu oft zu billig davon kommen. In diesem Doppelleben ist ihr Vorteil, dass kaum ein gewalttätiger Mann einer schmächtigen Frau asiatischer Herkunft Livias Entschlossenheit und ihre exquisiten Kampfkunst-Qualitäten zutraut, mit denen sei zu töten bereit ist.

In einem früheren Leben war Livia das Mädchen Labee vom Volk der Lahu, das mit seinen Eltern im Grenzgebiet zwischen Thailand, Birma und Laos lebte und das die Eltern aus Not an Menschenhändler verkauften. Livia und ihre jüngere Schwester Nason gelangten in die USA, doch sie wurden getrennt und Livia geriet nach ihrer „Rettung“ aus den Fängen der Menschenhändler vom Regen in die Traufe. Nasons ungeklärtes Schicksal machte sie besonders verletzlich. Ihr eigenes lebenslanges Trauma lässt sie seitdem als eine Art weiblicher Ronin durchs Leben ziehen. Obwohl Livia inzwischen erfahren hat, dass normale Männer nicht den Körper von Kindern besitzen wollen und ihr respektvoll gegenübertreten, hält sie lieber Distanz.

Im ersten Band der dritten Krimiserie Barry Eislers kann Livia das Schicksal ihrer Schwester endlich klären. Ihre Motivation zur Arbeit bei der Kriminalpolizei wird in Rückblenden deutlich, eine Verbindung aus Respektsbezeugung gegenüber den Menschen, die sie gut behandelten, und Rachebedürfnis gegenüber Gewalttätern.

Als Einführung einer neuen Ermittlerin, die in späteren Bänden auf bekannte Figuren Eislers treffen wird, finde ich den Band sehr gelungen. Empfehlen möchte ich ihn nicht mit gutem Gewissen, denn er enthält explizite Szenen, in denen Kinder missbraucht werden, die ich beinahe voyeuristisch finde. M. A. hätte es genügt, die Folgen für Livia zu beschreiben und weniger detailliert zu schildern, was ein Sexualtäter genau tut.