Rezension

harter Tobak in zartem Gewand

Tage ohne Ende - Sebastian Barry

Tage ohne Ende
von Sebastian Barry

Bewertet mit 4 Sternen

Mit Wildwestromanen verbinden die Wenigsten Lyrik aber genau das bietet Barrys Roman »Tage ohne Ende« (OT: Days Without End). Allerdings nicht nur, denn es ist auch harter Tobak, den man hier in lakonischer, wunderschöner Sprache serviert bekommt. Kann das funktionieren? Definitiv.
 
Doch worum geht es eigentlich?
Nachdem seine Familie der Großen Hungersnot in Irland zum Opfer fiel, flieht der noch sehr junge Thomas McNulty aus seiner Heimat nach Kanada. Er überlebt die katastrophale Überfahrt auf einem »Coffin Ship« (»Sargschiff«) und vagabundiert durch das noch junge Amerika, wo er auf den etwa gleichaltrigen John Cole trifft. Fortan sind die beiden unzertrennlich, verdingen sich zunächst als Tanzmädchen in einem Saloon, bis sie den Frauenkleidern entwachsen und das gute Leben schweren Herzens hinter sich lassen müssen. Sie gehen zur Armee und schlachten gemeinsam mit ihren Kameraden zunächst Indianer ab, später dann im Bürgerkrieg die eigenen Landsleute. Die Frage, was richtig oder falsch ist, stellen sie nicht, denn das Einizige, was zählt, sind Loyalität, Ehre und das (Über)leben. Zwischenzeitlich sind ihnen immer mal wieder Phasen der Ruhe und des Glücks vergönnt, beinahe eine Art idyllisches Familienleben auf dem Land. Doch Tod und Krieg sind hartnäckige Verehrer, die ihnen immerfort nachstellen.
 
»Der einzige Lohn in Amerika, der mieser war als der mieseste Lohn, war der Sold der Armee. Und abgespeist haben sie dich mit nem Fraß, dass deine Scheiße zum Himmel stank. Aber du warst froh, überhaupt Arbeit zu kriegen, denn wenn du in Amerika nicht arbeitest für deine paar Dollar, dann musst du hungern, diese Lektion hatte ich gelernt. Und das Hungern hatte ich satt.«
 
Thomas, der die Geschichte als Ich-Erzähler rückblickend erzählt, wahrt stets Distanz, ist dabei absolut authentisch. Seine Sprache ist die des einfachen Mannes, unverblümt lakonisch und doch auch höchst emotional, weil auf den Punkt. Hier trifft jeder Satz zielsicher, gleich dem Schuss eines Scharfschützen. Aber Achtung: Wer dieses Buch liest, muss einiges aushalten können. Sebastian Barry schreibt keineswegs verklärte Cowboyromantik. Die Kriegsgemetzel werden ausführlich beschrieben. Verstümmelungen, Kriegsgefangenlager, Genozid – das alles findet Platz in diesem Roman, der Genregrenzen sprengt. Dem Übersetzer Hans-Christian Oeser ist es sehr gut gelungen, die ganz besondere Sprachmelodie dieses Werkes einzufangen. Chapeau! Der Steidl Verlag empfiehlt eine kleine Playlist, die man beim Lesen hören sollte. Ein wunderbares Goodie, das die ohnehin schon sehr emotionale Lektüre noch intensiver nachwirken lässt.
 
»So desolat und dezimiert wir waren, es gab auch etwas Gutes. Etwas, das Flut und Hunger nicht auslöschen konnten. Den menschlichen Willen. Ihm gebührt Respekt. Ich hab ihn oft erlebt. So selten ist er gar nicht. Aber er ist das Beste an uns.«

Fazit

Der Krieg raubt nicht nur Leben, sondern auch Menschlichkeit, doch Thomas und John – so viel sei verraten – bewahren sie sich. Das gelingt ihnen nicht zuletzt, weil sie ihre Freundschaft stets im Herzen tragen. Und so ist »Tage ohne Ende« neben all der nüchternen Brutalität eben auch eine Ode an die Liebe. Und das ist in meinen Augen immer eine lohnende Lektüre.

»Soweit ich sehe, will dich das Leben in die Knie zwingen und dich leiden lassen. Du musst darum herumtanzen. Als Kind musst du rausgehen und tanzen, um alle Hindernisse herum, und am Ende tanzt du die knarrende Quadrille des Alters.«

Kommentare

wandagreen kommentierte am 03. August 2020 um 17:27

Klingt schlimm überspannt.
 

yvy kommentierte am 04. August 2020 um 15:30

Ist sicher Geschmackssache. Leseprobe testen und dann entscheiden.

wandagreen kommentierte am 04. August 2020 um 16:55

:DDD