Rezension

Hat es in sich.

Der Junge muss an die frische Luft
von Hape Kerkeling

Bewertet mit 5 Sternen

Wer Hapes erstes Buch gelesen hat (anstatt es nur als geflügeltes Wort zu benutzen), weiß, dass darin mehr steckt als ein paar locker-flockige Reisebetrachtungen eines Komikers. Dennoch war ich überrascht, wie viel tiefer sein zweites Buch geht und was es mit mir gemacht hat.
Erstaunlich genug, dass das Buch ausgerechnet im Garten Gethsemane beginnt, wo es nicht um viele Worte geht, sondern um die Stille. Die beiden folgenden Kapitel sind der Begegnung mit zwei außergewöhnlichen Kindern gewidmet. Drei Orte, drei Ereignisse, die konsequent auf den eigentlichen Inhalt, die eigene Kindheitsgeschichte, hinführen.
Und die hat es in sich.
Noch nie habe ich bei einem Buch so viel geheult.
Aber auch gelacht. Und das ist nicht dieses berühmte gequälte Lachen, das einem im Halse stecken bleibt, im Gegenteil, es ist ein befreiendes Lachen.
Jedenfalls hat selten Lachen und Weinen so nahe beieinander gelegen. Stark, und fast nicht auszuhalten ist es, wie dieser kleine Junge sein wunderbares komisches Talent schärfte und schulte, indem er seine depressive Mutter immer und immer wieder aus ihrer Apathie holte.
Und trotz des tiefen Abgrundes, der sich in dieser Biographie auftut, kann man sie am Ende mit einem glücklichen Lächeln aus der Hand legen, so rätselhaft abgerundet verweben sich Anfang und Ende.
Dieses Buch ist ein Wunder.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 22. Februar 2015 um 08:43

... und erklärt wahrscheinlich manches. Warum, glaubst du, verarbeitet "jemand" seine Lebensgeschichte öffentlich?

Arbutus kommentierte am 15. März 2015 um 13:38

Ich denke, es kann eine Menge ans Licht bringen und klarer machen. Ich denke da gerade an George Sand, auf die es eine sehr befreiende Wirkung hatte, ihre Beziehung zu Alfred de Musset in ihrem Roman "Sie und Er" zu verarbeiten. Eine Art Selbsttherapie.