Rezension

Hat mich emotional nicht wirklich erreichen können

Clean - Juno Dawson

Clean
von Juno Dawson

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt

Lexi lebt ein traumhaftes, luxuriöses Leben. Als jüngster Spross der Volkov-Familie öffnet ihr Name ihr die Türen zu den besten Partys der Stadt. Dochihr schilerndes Leben hat auch seine Schattenseiten. Nach einer Überdosis weist ihr Bruder sie in die Clarity-Klinik für süchtige Jugendliche ein, wo sie auf kalten Entzug gesetzt wird. Lexi hasst alles an diesem Ort, angefangen bei dem Personal über die Therapiestunden bis hin zu den anderen Patienten der Klinik. Der Alltag mit Aufputschmittel-Junkie Saif, dem Transgender-Mädchen Kendall, dem unter Zwangsneurosen leidenden Guy, Bulimikerin Ruby und Ex-Kinderstar Brady ist für sie schier unerträglich - bis er es plötzlich nicht mehr ist. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass ausgerechnet diese fünf zu ihren Freunden werden würden. Und vielleicht sogar zu mehr als das. Abgeschottet vom Rest der Welt geht es Lexi allmählich besser. Doch außerhalb der Klinik warten weiterhin an jeder Ecke Versuchungen. Wird Lexi ihnen widerstehen können?

Meine Meinung

Gleich zu Beginn meiner Rezension möchte ich anmerken, dass ich Schriftsteller/innen bewundere, die sich in ihren Romanen mit Suchtproblemen auseinandersetzen. Das Innenleben eines Süchtigen adäquat abzubilden, ohne den Leser zu überfordern oder zu verprellen, und die Gefahren von Drogen- und Alkoholkonsum so darzustellen, dass man sich ihrer gewahr ist und sie verinnerlicht, sich aber nicht belehrt fühlt, sind sicherlich eine große Herausforderung beim Schreiben. Ich bin froh, dass es immer mehr Autoren/-innen gibt, die sich an solch brisante Themen wagen, gerade wenn sich ihre Werke an eine jugendliche Zielgruppe richten.  Lange Rede, kurzer Sinn: Bei mir stehen solche Bücher hoch im Kurs. Der Plot von "Clean" klang äußerst vielversprechend und die Ausgangssituation hat in meinen Augen viel Konfliktpotenzial geboten. Die Umsetzung selbst hat mir dann allerdings beim Lesen Schwierigkeiten bereitet.
Genau genommen hatte ich nur ein einziges Problem, das sich aber leider durch den gesamten Leseprozess gezogen hat: die Charaktere bzw. meine Unfähigkeit, mich mit ihnen zu identifizieren und/oder Verständnis für sie aufzubringen. Ich habe weder einen Zugang zu Protagonisitn Lexi noch zu den übrigen Patienten gefunden. Bei Letzteren liegt das vorwiegend daran, dass man nur grob darüber informiert wird, weswegen sie behandelt werden, und daran, dass die Momente der Interaktion immer nur von kurzer Dauer sind. Ich hatte nie das Gefühl, bei ihnen tiefer vorzudringen und konnte daher nicht Anteil an ihren Problemen nehmen oder mich in irgendeiner Weise betroffen fühlen. Das ist bei einem Roman, der Suchtkrankheiten und Neurosen behandelt und damit den Fokus auf die Person legt, wirklich schade. Bei Lexi wiederum würde ich meine Distanz darauf zurückführen, dass mir speziell am Anfang ihre Attitüde nicht gefallen hat. Sie erscheint sehr abweisend, unfreundlich, respektlos und bisweilen etwas hochnäsig - wie ein "klassischer" aufmüpfiger, defensiver Teenager, wenn man so will (was aber nicht zutreffend ist). Ihre passive Aggressivität lässt sich wohl vor allem mit ihrer Drogensucht begründen, weshalb ich ihr ihr Verhalten nachsehen konnte. Aber selbst, als sie sich auf dem Weg der Besserung befand, hat sich meine Leserbeziehung zu ihr nur bedingt verbessert. Sie hat zwar Sympathiepunkte dafür gesammelt, dass sie deutlich freundlicher und mitfühlender aufgetreten ist und sich einsichtig gezeigt hat. Aber auch dann hatte ich fortwährend den Eindruck, sie würde selbst eine Barriere zwischen sich und dem Leser errichten. Letztlich hat die Summe dieser Teilkomponenten dazu geführt, dass die gesamte Gruppe und auch Lexis Freundeskreis außerhalb in meinen Augen leider "nur" ein paar priveligierter Jugendlicher mit zu viel Geld und zu viel Langeweile blieben - selbst jene, bei denen die Krankheiten offenbar tiefere Wurzeln haben.
Wie glaubhaft die Drogensucht bzw. der Entzug dargestellt wurde, kann ich mangels persönlicher Erfahrung nur eingeschränkt beurteilen. Während des Lesens kam mir die Entwicklung, die Lexi gemacht hat, etwas rasant vor, wobei ich diese Aussage aufrund der späteren Ereignisse nach Beendigung des Buches relativieren muss (an der Stelle keine Spoiler meinerseits). Auch das Tempo von mancher Beziehung, die Lexi im Verlauf ihres Klinikaufenthalts aufgebaut hat, habe ich persönlich als zu schnell empfunden. Speziell bei einer Person hatte ich den Eindruck, als würden sie direkt von 0 auf 100 durchstarten, sodass ich nicht genug Zeit hatte, ein entsprechendes Gefühl für sie zu entwickeln. Die Bindung kam mir einfach etwas forciert vor.
Positiv möchte ich allerdings zum sprachlichen Aspekt äußern. Ich denke, dass Juno Dawson den Ton einer jungen Erwachsenen (in diesen gesellschaftlichen Kreisen und unter diesen speziellen Umständen) gut getroffen hat. Ich mag zwar nicht immer begeistert von Lexis Haltung und ihrer Ausdrucksweise gewesen sein, aber zielgruppengerecht waren sie durchaus.

Mein Fazit

Die Geschichte entsprach vom Aufbau und vom inaltlichen Input im Großen und Ganzen meinen Erwartungen, mein Problem bestand eigentlich nur auf zwischenmenschlicher Ebene. Sowohl die Protagonistin als auch die übrigen Patienten sind nach Beendigung des Buches Fremde, allenfalls entfernte Bekannte für mich gewesen, sodass ich von ihren Leidenswegen nicht sonderlich ergriffen war. Angesichts der Thematik war das beim Lesen ein großes Hindernis, das meinen Gesamteindruck leider negativ beeinflusst hat.

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