Rezension

Hat mich leider nicht überzeugt

Lieblingskind - C. J. Tudor

Lieblingskind
von C. J. Tudor

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt 

Den Klappentext der Geschichte finde ich ziemlich gut gewählt. Durch das Zitat wird unsere Neugier geweckt, ohne zu viel von der Geschichte zu verraten. Dennoch möchte ich an dieser Stelle etwas mehr über den Inhalt erzählen, als im Klappentext erwähnt wird. 

Wir lernen zu Beginn der Geschichte Joe kennen, der alles andere als glücklich wirkt. Er ist Lehrer und tritt zu Beginn von Lieblingskind eine Stelle an seiner ehemaligen Schule an. Doch uns scheint nicht klar zu sein, warum er sich für diesen Beruf entschieden hat. An manchen Tagen gehen ihm seine Schüler regelrecht auf die Nerven. An anderen Tagen erkennt er die Not einiger Schüler und beschließt sich für diese einzusetzen. Von außen betrachtet könnten wir den Eindruck gewinnen, Joe möchte seiner alten Heimat etwas zurückgeben. Doch wenn wir genauer hinschauen, können wir schnell erkennen, dass er ein ganz anderes Motiv hat, dass ihn zurück nach Hause gebracht hat. 

Wie wir es schon von Der Kreidemann kennen, bringt C. J. Tudor in ihrem zweiten Roman einen zweiten Zeitstrang ein: Wir erleben wie Joe aufwächst. Wir lernen seine Familie kennen, bei der alles glatt zu laufen scheint. Bis sein Vater seinen Job verliert und seine Schwester Annie für einen Tag verschwindet. Diese Ereignisse haben tiefe Spuren hinterlassen und wirken sich auch auf die Gegenwart aus. Vielleicht geht es nämlich auch darum, eine alte Rechnung zu begleichen. 

Nicht zu vergessen scheint auch Joes Clique aus der Jugend eine wichtige Rolle in Lieblingskind zu spielen. Auch dieses Element findet sich schon in Der Kreidemann. Einerseits fand ich es spannend, dass C. J. Tudor wieder auf diese beiden Stilmittel, dem Zeitstrang und dem Element der Clique, zurückgreift. Andererseits befürchtete ich eine Art Muster zu erkennen. Zum Glück stellte sich aber im Laufe der Geschichte heraus, dass ich definitiv nicht mit dieser Auflösung gerechnet hatte und das damit meine Theorie, das Strickmuster der Autorin zu durchschauen, wieder über den Haufen warf. 

Leider muss ich sagen, dass die Handlung ziemlich lange gebraucht hat, um in Gang zu kommen. Die Geschichte plätscherte zu Beginn recht lange vor sich hin und ich fragte mich, wo die Parallele zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit war - abgesehen davon, dass Joe in beiden Handlungssträngen der Protagonist war. Im Klappentext wird angedeutet, dass Joes schwester Annie eine große Rolle in der Geschichte spielt. Doch die Handlung um Joes Familie wurde mir nicht ausführlich genug herausgearbeitet. Mir fehlte hier der klare Bezug zur Gegenwart. Beide Handlungsstränge liefen mehr nebeneinander her und die Frage, die im Klappentext aufgeworfen wird, nämlich was mit Annie passierte, wurde zumindest für mich nicht eindeutig beantwortet. 

Doch nach und nach zog C. J. Tudor die roten Fäden etwas straffer und die Handlung nahm an Fahrt auf. Hier und da gab es für mich ein paar überraschende Wendungen in der Handlung, die dafür sorgten, dass ich ein regelrechtes Hörmarathon Wochenende einlegte, weil mich interessierte, was es mit der Geschichte wirklich auf sich hat. Außerdem war ich überrascht, welche Entwicklung Joe im Laufe der Geschichte macht. Gerade gegen Ende überrascht er mich mit einem Gedanken, dem ich ihm ganz bestimmt nicht zugetraut hätte. 

Ich weiß, ich bleibe, was die Handlung betrifft, sehr oberflächlich. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass es hier sehr schnell passieren kann, dass man zu viel verrät und wichtige Aspekte der Handlung vorwegnimmt, die eigentlich selbst entdeckt werden müssen. Interessant war für mich, dass ich eine leichte Parallele zu Stephen Kings Friedhof der Kuscheltiere entdecken konnte, wobei ich an dieser Stelle entwarnen kann: C. J. Tudor packt hier keinesfalls Horrorelemente aus, sondern spielt lediglich mit unserer Wahrnehmung. 

Was mir an der Hörbuchgestaltung sehr gut gefallen hat war, dass die Geschichte ungekürzt produziert worden ist. Leider gibt es den Titel ausschließlich als Download. Ich hätte ihn mir jedenfalls sehr gerne ins Regal gestellt. Mit Stephen Benson als Sprecher konnte ich leider nicht viel anfangen. Er hat mir etwas zu monoton gelesen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es auch einfach daran lag, dass im ersten Drittel der Geschichte nicht viel passiert ist und es somit nicht nur am Sprecher lag, dass ich hin und wieder mit meinen Gedanken abgeschweift bin. 

C. J. Tudors Schreibstil war diesmal sehr erzählend angelegt. Wir erlebten Protagonist Joe sehr ausführlich in seinem eigenen Elend. Er schien resigniert, erwacht aber hin und wieder aus seiner Passivität und lässt seiner Wut freien Lauf, was nicht immer gut ist. Durch den zweiten Zeitstrang, dem Rückblick in die Vergangenheit, wurde ebenfalls wieder viel erzählt. Leider habe ich keine Idee, wie man die Handlung hätte spannender gestalten können. 

Was C. J. Tudor mit ihrem Schreibstil aber zeigen kann ist, wie viel sie an Menschen wahrnimmt. 

Gesamteindruck 

Mit Der Kreidemann gelang C. J. Tudor ein Debüt, das mir unglaublich gut gefallen hat. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an den zweiten Roman der Autorin. Leider konnte sie mich mit Lieblingskind nicht vollständig überzeugen, weil mir der Bezug zum Titel und zum Klappentext fehlte. Die Geschichte findet zwar ein stimmiges Ende. Dennoch gibt es Fragen, die  zumindest für mich, unbeantwortet bleiben, was mich etwas störte. 

Ich bin aber sehr gespannt, ob oder wann wir den dritten Roman der Autorin zu lesen bzw. in meinem Fall zum hören bekommen.