Rezension

Hat mich nach anfänglicher Skepsis überzeugen können

Große Gefallen -

Große Gefallen
von Lillian Fishman

Bewertet mit 4 Sternen

Eve lebt in einer Beziehung mit einer Frau zusammen. Als sie aus einem Impuls heraus anonym Nacktfotos von sich im Internet veröffentlicht und sich daraufhin eine junge Frau bei ihr meldet, beschließt sie, sich mit ihr zu treffen. Doch Olivia ist nicht alleine auf Eve aufmerksam geworden; vielmehr haben sie und ihre Affäre Nathan gemeinsam beschlossen, Eve anzuschreiben. Was Eve anfangs abschreckt, schlägt bald in tiefste Faszination um, und so entwickelt sich zwischen den dreien eine sexuelle Spannung, die bestimmt ist von den Kontrasten zwischen Dominanz und Unterwerfung, Abhängigkeit und einem berauschenden Freiheitsgefühl. Schnell merkt Eve, dass nur Nathan ihr geben kann, was sie braucht; nämlich das Gefühl, schön zu sein, einen perfekten Körper zu haben, der viel mehr bietet als der anderer Frauen. In ihr konkurrieren Eitelkeit mit dem Neid auf Olivia; der Wunsch danach, mit ihrem Körper tun und erreichen zu können was immer sie möchte, mit der Sehnsucht nach Abhängigkeit und totaler Hingabe. Liebe und Hass, Ekstase und Verzweiflung, Schmerz und Geborgenheit. All das gibt ihr die Beziehung zu Nathan und Olivia.

Lillian Fishmans Roman verwirrt. Die Figuren und ihre Beweggründe sind lange Zeit wenig greifbar und schwer zu durchschauen. Handlung gibt es vergleichsweise wenig, die Gedanken- und vor allem Gefühlswelt Eves steht klar im Vordergrund. Anfangs fällt es schwer, sich auf das Buch und seine schonungslose, ungeschönte Ehrlichkeit einzulassen - und doch fasziniert es von der ersten Seite an und entwickelt einen ganz eigenen Sog, der immer tiefer hineinzieht in das Machtgefüge zwischen den Protagonist*innen. Nathan und sein frauenfeindliches, gönnerhaftes Verhalten sind zutiefst abstoßend; Olivias merkwürdige Verletzlichkeit, die sich nicht genau verordnen lässt und eng mit einer Hingabe zu Nathan einhergeht, welche fast an Obsession grenzt, verunsichern; Eves Hin- und Hergerissenheit zwischen Extremen und ihr bewusster Drang, verletzt zu werden, verwirren.

"Große Gefallen" ist ein Roman, der sich auch nach der Lektüre wohl nicht vollständig fassen lässt. Vielleicht ist es gerade das, was ihn so gut macht: er führt an die Grenzen dessen, was wir für angemessen halten und was wir begreifen können, und lässt uns dann genau dort, am Kipppunkt, mitten auf diesem schmalen Grat zwischen den Extremen, allein zurück.

"'Du weißt, ich mag diese Kluft zwischen dem, was man vermeintlich tun oder sich wünschen soll, und dem, was man wirklich will. Ich finde es toll, dass du einen Blick dafür hast. Verrate mir, was es ist. [...] Ist ja nicht so, als wäre es ein Zaubertrick.' [...] 'Doch, es ist genau das. Ein Zaubertrick. Sobald man es zu fassen kriegt, ist es tot.'"