Rezension

Hat mich nicht überzeugt

Die Muse von Wien - Caroline Bernard

Die Muse von Wien
von Caroline Bernard

Bewertet mit 3 Sternen

~~Die Autorin nimmt sich in diesem historischen Roman einer schillernden Figur Wiens um 1900 an: Alma Mahler, geborene Schindler. Allerdings liegt der Fokus hier nur auf Almas Jugend und ihrer Ehe mit Gustav Mahler.

Alma wird als Tochter des Wiener Landschaftsmalers Emil Jakob Schindler und seiner Frau Anna, einer Sängerin im Jahr 1879 geboren. Sie ist künstlerisch begabt und wird von ihrem Vater gefördert. Der frühe Tod des Vaters und die Affären ihrer Mutter u.a. mit Julius Berger und Carl Moll, der ihr Stiefvater wird, legen den Grundstein für ihr eigenes unstetes Liebesleben.

Mit 17 Jahren lernt sie den weitaus älteren Gustav Klimt kennen. Carl Moll unterbindet dieses Techtelmechtel mit Hinweis auf den großen Altersunterschied zwischen den beiden. Der sollte dann, als sich Alma in den Kopf setzt, den um 19 Jahre älteren Hofoperndirektor Gustav Mahler zu heiraten, keine Rolle mehr spielen. Ob da das Einkommen und der Status von Gustav Mahler beeindruckt haben?

Der Roman endet 1911 mit dem Tod Gustav Mahlers.

Meine Meinung:

Über weite Strecken empfinde ich Alma als verzogenes Gör. Selbst als sie schon verheiratet und Mutter zweier Töchter ist, wirkt sie unreif auf mich. Ich habe den Eindruck, dass Alma in eine Art „Opferrolle“ gedrängt wird. Sie verhält sich so, wie er es ihr in dem Brief vor der Verlobung vorschreibt. Kein Komponieren mehr für Alma, allerhöchsten Klavierspielen und das nur im kleinen Kreis. Gustav hasst Gesellschaft(en). („Es kann nur einen Künstler in der Familie geben.“). Später wird sie dagegen aufbegehren. Sie hat doch seine Bedingungen akzeptiert. Immerhin „darf“ sie seine Noten „ins Reine schreiben“ und kopieren, eine Tätigkeit, die ein Komponist üblicherweise einem Sekretär anvertraut.

Sie soll gleich nach der Hochzeit seine, von seiner Schwester Jussi, zerrüttenden Finanzen in Ordnung gebracht haben. Das scheint eher eine der zahlreichen Legenden zu sein, die Alma schon zu ihren Lebzeiten gewoben hat. Üblicherweise erhalten junge Mädchen dieser Zeit kaum Ausbildung in Finanzangelegenheiten. Aus dem Elternhaus ist Alma gewöhnt, ihren Kopf durchzusetzen, Ausstellungen zu besuchen und in großen Gesellschaften umworben zu werden. Das alles vermisst sie nun als Frau des Hofoperndirektors, dem sie augenscheinlich die verstorbene Mutter und manchmal auch die dominante Schwester ersetzen muss.

Alma Mahler wirkt auf mich sehr distanziert. Ich kann ihre Gedankengänge oft nicht wirklich nachvollziehen.

Ich kann mich des Eindrucks leider nicht erwehren, dass hier eine zuckersüße Liebesgeschichte erzählt werden soll. Auch dem Verhältnis mit Walter Gropius hängt etwas Romantisches an.

Die unschönen Seiten der Alma Mahler kommen nicht wirklich zum Vorschein. So fehlen hier ihre antisemitischen Aussagen völlig. Ihre verhängnisvolle Leidenschaft für den Bénédictine, einen Kräuterlikör, wird nur ganz kurz erwähnt. Ihre beinahe schon pathologische Weigerung an Begräbnissen teilzunehmen, wird mit schwacher Konstitution nach den Todesfällen überspielt. Sie gibt weder ihre Tochter Maria Anna, die im Sommer 1907 an Diphterie stirbt, noch ihrem Mann Gustav das letzte Geleit.

Streckenweise empfinde ich das Buch als etwas langatmig. Der Schreibstil ist eher einfach als mitreißend.
Es fehlt auch die Beschreibung der antisemitischen Stimmung in Wien unter Bürgermeister Karl Lueger. Da hätten sich spannende Absätze einflechten lassen können. So plätschert die Handlung von einem Kofferpacken zum anderen dahin.

Leider gibt es auch einige Tippfehler und historische Ungenauigkeiten.
S. 352: Es ist kaum zu glauben, dass Alma ihre Lippen erstmals in Amerika (1907) schminkt, nachdem sie das Kaufhaus Macy’s besucht hat. (Lippenschminke gibt es seit rund 3.000 Jahren.) Den Lippenstift, wie wir ihn kennen, gibt es seit 1883. Damals allerdings in Seidenpapier gehüllt. 1910 bringt Guerlain den ersten Lippenstift in einer Metallhülse auf den Markt.

Auch die Entdeckung, dass Almas Schwester Margarethe nur ihre Halbschwester ist, weil ihre gemeinsame Mutter mit Julius Berger fremd ging, ist zeitlich nicht korrekt wiedergegeben. Nach ihren Tagebuchaufzeichnungen erfährt Alma erst 1925 davon.
Hier könnte man dichterische Freiheit oder einen dramaturgischen Kunstgriff vermuten. Das wäre aber im Nachwort anzumerken gewesen. Die Vorverlegung der Episode rund um die Verlegung der Straßenbahnhaltestelle vor dem Sacher ins Jahr 1901 ist der Autorin eine Anmerkung wert, obwohl dies für die Handlung überhaupt keine Bedeutung hat. Die essentielle Entdeckung, dass Margarethe und Alma nicht denselben Vater haben, jedoch nicht. Immerhin glaubt Alma einige Jahre lang, ebenfalls Anlagen einer Geisteskrankheit zu haben.

Das Cover passt überhaupt nicht in die Zeit um 1900. Frau trägt damals bodenlange Kleider, Korsett und ausladende Hüte („Florentiner Hut“). Die abgebildete Frau mit dem Glockenhut stammt aus den späten 1920er oder frühen 1930er Jahren. Ein eher peinlicher Fehler seitens Verlags.

Ich persönlich halte mich lieber an Oliver Hilmes‘ Biografie „Witwe im Wahn“, die der tatsächlichen Alma Mahler-Werfel, geborene Schindler, geschiedene Gropius, wahrscheinlich näherkommt.

Fazit:

Leider konnte mich das Buch nicht wirklich überzeugen, daher kann ich nur drei Sterne vergeben.