Rezension

Hat mir leider nicht so gut gefallen wie Band 1

Rette mich vor dir - Tahereh Mafi

Rette mich vor dir
von Tahereh Mafi

Bewertet mit 3 Sternen

„Ich muss schlucken, um die Tränen herunterzuwürgen, die mich zu überwältigen drohen. (…) Mein ganzes Leben lang musste ich Menschen davon überzeugen, das ich nicht gefährlich bin, dass ich niemanden verletzen wollte, dass ich all das nicht wollte. Dass ich nicht böse bin. Aber es scheint mir nie zu gelingen.“ (S.71)

Juliette ist die Flucht gelungen. Sie und Adam sind den Fängen des grausamen Regimes entkommen und haben Zuflucht gefunden im Omega Point, dem geheimen Stützpunkt der Rebellen. Hier gibt es andere wie sie mit übernatürlichen Kräften, und zum ersten Mal fühlt Juliette sich nicht mehr als Außgestoßene, als Monster. Doch der Fluch ihrer tödlichen Berührung verfolgt sie auch hier – zumal Adam nicht länger völlig immun dagegen ist. Während ihre Liebe zueinander immer unmöglicher scheint, rückt der Krieg mit dem Reestablishment unaufhaltsam näher. Und mit ihm das Wiedersehen mit dem dunklen und geheimnisvollen Warner, hinter dessen scheinbar gefühlloser Fassade sich so viel mehr verbirgt, als es den Anschein hat...

Meine Meinung

  • Handlung/Verlauf der Geschichte

„Rette mich vor dir“ schließt fast nahtlos an das Ende von „Ich fürchte mich nicht“ an und die Autorin weiß sofort wie sie den Leser mit sich reißen kann. Aus der Sicht von Juliette lässt sie uns ihren Alltag im Omega Point erleben und an ihren Gedanken, Gefühlen etc. teil haben. So wird einem vor allem Juliettes innere Zerrissenheit vor Augen geführt. Einerseits ist da die Hoffnung endlich so etwas wie ein normales Leben zu führen und nicht mehr wie ein Monster behandelt zu werden. Andererseits kann sie einfach nicht vergessen wie gefährlich ihre Gabe ist und was sie anderen Menschen, damit antun könnte. Ihr Selbsthass ist so groß, dass alles andere an ihr abzuprallen scheint. Sie isoliert sich fast vollkommen von den anderen, selbst von Adam, da sie nicht akzeptieren will, wer sie ist. Aus diesem Grund fällt es ihr auch erst einmal sehr schwer sich zu überwinden und mehr über ihre Fähigkeiten herauszufinden.

Diese Entwicklung bzw. Selbstfindung nimmt im ersten Teil des Buches eine große Rolle ein, geht allerdings nur schwerfällig voran und zieht sich stellenweise ein wenig wie Kaugummi. Gut dagegen hat mir gefallen, dass der dystopische Hintergrund mehr an Bedeutung gewinnt und wir mehr über das Reetablishment erfahren. Auch der bevorstehende Krieg und die Arbeit des Omega Point rückt mehr in den Fokus. Schon in Band 1 war ich von der Idee dahinter ja total begeistert: Die ganzen Menschen, mit ihren besonderen Fähigkeiten, die sie damit für das Gute einzusetzen und das Böse, das Reestablishment, bekämpfen wollen, ist richtig cool.

Dahingegen hat mir die Dreiecksbeziehung zwischen Juliette, Adam und Warner überhaupt nicht gefallen. Zwar gab es einige schöne Szenen, die von der Autorin sehr gefühlvoll beschrieben wurden, aber alles in allem war die ganze Entwicklung nicht so toll. Juliette und Adam, die in Band 1 noch so glücklich miteinander waren, haben in diesem Teil mit einigen Hindernissen und Problemen zu kämpfen, die ihre Beziehung infrage stellen. Und durch Juliettes Gefühle für Warner wird alles noch viel komplizierter.

Die Geschichte ist zum großen Teil eher ruhig, doch auf den letzten Seiten ereignen sich einige spannungsgeladene und dramatische Momente, die mich vollkommen gefesselt haben. Ich habe mit Juliette und den anderen ununterbrochen mitgefiebert, sodass ich erst gar nicht glauben konnte, dass ich schon am Ende angelangt bin, wo sich die Ereignisse noch einmal völlig überschlagen.  

  • Schreibstil

Tahereh Mafis Schreibstil ist einfach einzigartig und für mich ein wahres Highlight J Sie weiß ganz genau wie sie mit ihren Worten spielen muss, um eine tolle und vor allem intensive Atmosphäre zu erzeugen. Ich hätte wirklich einen tollen Satz nach dem anderen herausschreiben können. Denn gerade durch ihren eindringlichen Erzählweise schafft sie es den Leser hautnah an Juliettes Gedanken und Gefühle  teilhaben und sie gemeinsam mit ihr zu durchleben zu lassen. In diesem Teil allerdings wurde diese Verbindung mit der Zeit etwas anstrengend, da sich Juliette größtenteils in Selbstmitleid badet und tief in ihren Depressionen steckt, was sich natürlich auch auf die Grundstimmung auswirkt.

  • Charaktere

Juliette fand ich dieses Mal sehr sehr anstrengend. Eigentlich dachte ich, dass sie, jetzt, da sie unter Gleichgesinnten lebt, endlich aufblühen und aus sich herauskommen würde, aber das Gegenteil war eher der Fall. Aus Angst, dass alle in ihr nur das Monster sehen könnten, zieht sie sich zunehmend in ihr Schneckenhaus zurück und lässt keinen an sich heran, sodass es nicht lange dauert bis sie wieder in ihrem schwarzen Loch steckt und vor Selbstmitleid fast zerfließt. Nicht einmal mehr Adam scheint an sie heranzukommen…Einzig und allein Kenji kann zu ihr durchdringen und sie zurück in die Realität holen.

Adam tat mir zwischenzeitlich fast ein wenig leid. Man spürt wie viel ihm Juliette bedeutet, sie sich aber immer mehr von ihm zu entfernen scheint bzw. ihn auf Abstand hält. Die beiden verbringen kaum mehr Zeit miteinander, da Adam damit beschäftigt ist Tests an sich durchführen zu lassen, um herauszufinden, warum ihm Juliettes Berührungen nichts ausmachen. Doch Juliette spürt auch, dass Adam noch etwas anderes vor ihr geheim hält… Seine Geheimnisse, die nach und nach aufgelöst werden, sorgen für ordentlichen Schwung in der Geschichte und einige unerwarteten Wendungen.  

Nachdem ich „Zerstöre mich“ gelesen hatte, hat sich meine Meinung über Warner schon geändert. Wirft man nämlich einen Blick hinter seine Fassade sieht man eine ganz andere Seite von ihm. Eine sanftere, sensiblere Seite, die in der Lage ist Gefühle für jemanden anderen zu empfinden. Man lernt seine Hintergründe kennen, was einem hilft zumindest ansatzweise zu verstehen, wie er zu dem Menschen, der er heute ist, wurde. Zwar gab es die eine oder andere Szene, in der er sich wieder ganz anders als erwartet verhalten hat, ist er insgesamt jedoch ein sehr interessanter Charakter, auf dessen weitere Entwicklung ich wirklich gespannt bin.

Kenji war mein absoluter Held in diesem Band, da ich nicht gedacht hätte, dass er so eine wichtige Rolle einnehmen würde. Nicht nur für Juliette sondern für die ganzen Menschen im Omega Point. Mit seiner lockeren und humorvollen Art sorgt er in diesen schwierigen Zeiten für kleine Lichtmomente, was allen unglaublich viel Kraft zu geben scheint.

Mein Fazit

Auch in „Rette mich vor dir“ ist Tahereh Mafi gelungen mich mit ihrem einzigartigen Schreibstil gefangen zu nehmen. Sie weiß einfach wie sie mit ihren Worten zu spielen hat, um eine unglaublich intensive Atmosphäre zu erzeugen. Von der ersten Seite war ich wieder mitten in der Geschichte und durfte hautnah an Juliettes Empfindungen, ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben, was stellenweise zu einer echten Geduldsprobe werden kann. Denn unsere Protagonistin ist leider erneut von starken Selbstzweifeln und Selbsthass erfüllt und es dauert eine ganze Zeit bis sie sich aus diesem Loch heraus gekämpft hat. Alles in allem keine schlechte Fortsetzung, die neugierig auf den Abschluss der Trilogie macht.