Hat seine Momente
Bewertet mit 3 Sternen
Die geheimnisvolle Künstlerin Vanessa Chapman ist längst verstorben, doch ihre Werke sorgen noch immer für Aufsehen. Als in einer ihrer gefeierten Skulpturen ein menschlicher Knochen entdeckt wird, gerät die Kunstwelt ins Wanken. Der Museums-Kurator James Becker macht sich auf den Weg, um das Rätsel um den Knochen zu lösen. Seine Spurensuche führt ihn auf die isolierte Gezeiteninsel Eris Island, die von nur einer Bewohnerin bewohnt wird und dunkle Geheimnisse birgt.
Ich muss gestehen: Im engsten Familienkreis bin ich als Kunstbanause verschrien, weil ich der Meinung bin, dass einige Werke besser in einem Kindergarten als in einer Galerie aufgehoben wären. Dementsprechend halte ich mich eigentlich von Kunstwerken fern. Doch „Die blaue Stunde" hat mich dennoch neugierig gemacht – immerhin steckt hinter der Kunst diesmal ein Kriminalfall.
Paula Hawkins gelingt es hervorragend, die Atmosphäre des Romans von Anfang an dicht und greifbar zu machen. Vor allem die Szenen auf der abgeschiedenen Eris Island haben mich gepackt: rau, geheimnisvoll, bedrückend – genau die richtige Stimmung für eine Geschichte, die auf der Grenze zwischen Kunst und Verbrechen balanciert. Besonders gelungen fand ich die Passagen, die durch Tagebucheinträge und Zeitungsartikel mehr über das Leben und die Persönlichkeit von Vanessa Chapman verraten. Die Abschnitte haben für mich die Spannung hochgehalten und mich in die Handlung hineingezogen.
Leider kann ich das nicht von den Kapiteln aus der Sicht von James Becker behaupten. Diese empfand ich als langatmig und teilweise wenig interessant. Immer wieder verlor ich hier den Faden und musste mich regelrecht durchkämpfen, was den Lesefluss spürbar beeinträchtigt hat. Schade, denn gerade dieser Strang hätte viel Potenzial gehabt, um die Geschichte noch spannender und dynamischer zu machen. Dazu kommt ein vorhersehbares Ende, das mich nicht überraschen konnte und die ansonsten vielversprechende Handlung etwas enttäuschend ausklingen ließ.
„Die blaue Stunde“ ist für mich ein zweischneidiges Schwert: Die stimmungsvolle Atmosphäre und die Tagebucheinträge, die Vanessa Chapman als faszinierende, vielschichtige Figur zeichnen, sind die großen Stärken des Romans. Doch die zähen Passagen rund um James Becker und das enttäuschende Ende trüben das Gesamtbild erheblich für mich. Fans von atmosphärischen Kriminalgeschichten mit kunsthistorischem Einschlag könnten hier trotzdem auf ihre Kosten kommen – für mich persönlich bleibt es ein durchschnittliches Leseerlebnis.
6/10