Rezension

Hatte anderes erwartet

An jedem einzelnen Tag - Mary Scherpe

An jedem einzelnen Tag
von Mary Scherpe

Es ist schon einige Zeit her, als mir An jedem einzelnen Tag – Mein Leben mit einem Stalker von Mary Scherpe geschickt wurde.
Ich hatte es auch recht fix gelesen, brauchte aber Zeit um mir einig zu werden, was ich mit dem Buch anfangen soll. Will die Autorin etwas mitteilen? Hat sie Tipps für andere Betroffene? Ist es nur eine gute PR Maßnahme?
Stalking

Stalking ist schrecklich. Von jemandem verfolgt zu werden bis in die intimsten Momente seines Lebens und womöglich nicht zu wissen von wem, zermürbt und belastet psychisch ungemein. Ein Stalker ist so sehr auf die Person seines Begehrens fixiert, dass viele oft nicht einmal merken, wie verletzend ihr Verhalten ist. So ein Stalking erfolgt aus verschiedensten Gründen. Nicht erwiderte Liebe, Fanstalking oder Hass wegen Streitigkeiten kommen am häufigsten vor.

Mary Scherpe ist Bloggerin und hatte mit ihrem Blog StilinBerlin großen Erfolg. Ihr Stalker hielt sich in ihrem privaten Umfeld auf. SMS, Anrufe, Post und Pakete, die sie nie bestellt hatte waren die eine Sache. Online wurden mehrere Profile erstellt, auf denen die junge Frau verunglimpft wurde und viele User auf Facebook sogar an eine schlechte Promotionaktion glaubten. Das machte Mary Scherpe mehr zu schaffen, denn sie verdient mit ihrem Blog ihren Lebensunterhalt. Eine solche Hetzkampagne kann einen Blog innerhalb kurzer Zeit ruinieren. Werbepartner steigen aus, Kooperationen werden gekündigt und dann ist es vorbei mit der Selbstständigkeit.
Es ist schwer, ein solches Buch zu bewerten. Lebensereignisse oder Biographien sind so passiert, daran kann man nichts ändern oder spannender gestalten. Was mir im Buch fehlt sind Emotionen. Sicher schreibt Mary Scherpe, wie nervtötend ihr Stalker ist oder war. Es bestand nie Gefahr für Leib und Leben, was sie auch wusste und sie sich daher recht sicher fühlte. Sogar die Stadt, in der ihr Peiniger wohnt, hat sie besucht. Doch auch der psychische Druck hätte jeden anderen in den Wahnsinn getrieben beziehungsweise zu dem einen oder anderen Heulanfall verleitet. Nichts, gar Nichts. Sie lebt ihr Leben weiter und erträgt alles, vertraut sich auch nur gelegentlich Freunden an.
Unser Rechtssystem

Wir leben in einem Staat, der sich gern als Rechtsstaat bezeichnet. Wo ist dieses Recht, wenn Menschen die Möglichkeit gegeben wird, andern permanent aufzulauern, sie zu terrorisieren, Post zuzusenden und alles zu unternehmen, um einem anderen Menschen das Leben zu erschweren? Dann ist es vorbei mit Gerechtigkeit. Solange ein Stalker nicht zu physischer Gewalt greift passiert gar nichts. Er kann tun und lassen was er will. Stalking zu beweisen ist schwer. Mary Scherpe hatte Beweise, wer ihr Böses will. Selbst da passierte absolut gar nichts. Sie war auf sich allein gestellt. Einen Anwalt? Wozu? Auch dieser kann nichts tun, als ein paar nette Briefchen mit der Aufforderung zur Unterlassung schreiben. Aber fleißig auf die Impressumspflicht bestehen. So kann jeder Stalker schon mal mit wenigen Klicks herausfinden, wo sein Opfer denn wohnt.

Es ist unbestritten schlimm, was Mary Scherpe passiert ist. Ich hatte allerdings nie das Gefühl, sie wäre dadurch sonderlich mitgenommen. Jettet munter in der Welt herum und wundert sich, dass der Stalker das weiß und fröhlich weiter macht. Was hat sie erwartet? Das er pausiert während sie auf Hawai ist? Einer direkten Konfrontation ist sie aus dem Weg gegangen und nutzte dasselbe Medium wie er, um sich irgendwann doch zur Wehr zu setzen.

Am Ende des Buches gibt es ein paar Erfahrungsberichte, die ich dann nur noch durchgeblättert habe.

Zusammenfassend hat mir das Buch gar nichts gegeben. Selbst als ehemalige Betroffene berührt es mich nicht wirklich. Für Mary Scherpe mag es belastend gewesen sein, betrachtet man aber die Erfahrungen anderer Stalkingopfer, ist sie glimpflich davongekommen. Zu wissen, wer einen bedrängt ist ein großer Vorteil.
Opferhilfe gibt es beim weißen Ring.

Erschienen beim Bastei Lübbe Verlag

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