Rezension

Hatte Potenzial, blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück

The Walking Dead - Robert Kirkman, Jay Bonansinga

The Walking Dead
von Robert Kirkman Jay Bonansinga

Bewertet mit 3 Sternen

Ich hätte selbst von mir nie gedacht, dass ich mich mal als Fan der Serie "The Walking Dead" bezeichnen würde. Aber seit ich im März krank und mit der Fernbedienung in der Hand auf der Couch lag und neugierig die erste Folge schaute, bin ich voll drinnen im Zombie-Fieber. Mir gefällt an der Serie ganz besonders die Vielschichtigkeit der Charaktere, die sich ähnlich wie bei "Game of Thrones" ständig im Wandel befinden, sich an die grauenhaften Umstände anpassen, aber trotzdem mehr oder weniger ihren Prinzipien treu bleiben. "The Walking Dead" ist gespickt mit interessanten Figuren und ganz unterschiedlichen Typen - einer davon ist der Governor, den man aus der Serie als Oberhaupt des Städtchens Woodbury kennt. Ich will gar nicht zu viel über den Seriencharakter verraten (viele von euch kennen ihn bestimmt), aber seine Vorgeschichte und die Erlebnisse, die ihn zu diesem unerbittlichen und unberechenbaren Mann werden ließen, haben mich seit seinem ersten Auftritt sehr interessiert. Mit dem Doppelband "The Walking Dead - Der Anfang" stillen Robert Kirkman und Jay Bonansinga diese Neugierde - zu meiner großen Freude.

 

Ich muss allerdings sagen, dass es mir anfangs wirklich schwer fiel, mich in die Geschichte einzulesen. Das Problem waren in erster Linie die Charaktere, die so ganz anders waren als die Figuren, die man aus der Serie kennt. Der Governor, Philip Blake, ist einem ja ganz automatisch von vornherein unsympathisch, seine Begleiter, seine Tochter Penny und auch die Menschen, auf denen er in den ersten Wochen nach Ausbruch der Zombie-Apokalypse trifft (im Übrigen kann man diese an einer Hand abzählen) bleiben jedoch leider ziemlich blass und sind eher Stereotypen als vielschichtige, interessante Figuren. Mir hat hier zum einen eine Identifikationsfigur gefehlt (in der Serie gibt es davon schließlich reichlich, für jeden "Geschmack" etwas sozusagen), zum anderen aber auch die Interaktion zwischen den Charakteren. Die beiden Autoren verlegen sich eher auf das Beschreibende, was bei dieser Thematik an für sich gut ist, die Atmosphäre aber trotzdem nicht so transportiert, wie ich das erwartet beziehungsweise mir erhofft hatte. Der Roman ist zwar auf jeden Fall düster, viele Situationen wirken bedrohlich - die Weltuntergangsstimmung und die pure Verzweiflung, die man beim Schauen der Serie verspürt, lässt die Geschichte allerdings vermissen.

 

Nun war dies mein erster Zombieroman - es kann also durchaus sein, dass Zombies in der Literatur vielleicht generell weniger bedrohlich wirken als auf dem Bildschirm beziehungsweise, dass sie sich schlicht und ergreifend nicht auf solch packende Art und Weise darstellen lassen. Allerdings hat auch der Schreibstil beziehungsweise der Stil der Übersetzung nicht unbedingt dazu beigetragen, dass ich die Zombie-Apokalypse mit jeder Faser meines Körpers gespürt hätte. Abgesehen von den unzähligen stilistischen und logischen Fehlern war der Schreibstil einfach nicht mein Fall - er bleibt von Anfang bis Ende nüchtern, fällt durch fehlende Originalität und zig Wortwiederholungen auf und hat mich mit einigen, immer wiederkehrenden Formulierungen schier in den Wahnsinn getrieben. Ich schwöre, wenn ich noch einmal irgendwo die Phrase "der rote Lebenssaft" lese, springe ich im Dreieck. Blut, das heißt Blut! Roter Lebenssaft? Sowas gehört doch nicht in einen Horror-Roman - allerhöchstens vielleicht in einen 08/15 Möchtegern-Softporno. Und solche merkwürdigen Formulierungen haben sich leider gehäuft. Ich kann nun leider nicht beurteilen, ob dafür das Autorenduo oder der Übersetzer verantwortlich ist, aber aus stilistischer Sicht ist "The Walking Dead - Der Anfang" leider das schlechteste Buch, das ich seit Langem gelesen habe. 

 

Aber: Nachdem ich mich durch die ersten 200 Seiten gequält und den Governor tausendmal für seine bis dahin doch recht öde Geschichte verflucht habe (das Problem nämlich ist, dass man als "The Walking Dead" Fan einfach schon alles gesehen hat und einen die vielen Zombie-Angriffe gar nicht überraschen oder schocken, kennt man die Serie jedoch nicht, fehlen einem wichtige Hintergrundinfos und vielleicht auch die Vorstellungskraft, um Kirkmans und Bonansingas Beschreibungen folgen zu können), zog die Geschichte mich wider Erwarten doch noch in ihren Bann. Der erste Teil des Doppelbands erzählt haarklein, wie Philip Blake in Begleitung seiner Freunde, seines Bruders und seiner Tochter die ersten Wochen nach dem Ausbruch der Plage erlebt und hält ab dem Eintreffen der kleinen Reisegemeinschaft in Atlanta dann doch noch einige Überraschungen für den Leser bereit. Den Wandel vom ganz normalen Mann, vom liebenden Vater und nachsichtigen Bruder zum grausamen Governor ist rückblickend auf sehr beeindruckende und faszinierende Weise dargestellt, auch wenn man anfangs einen wirklich langen Atem braucht. Und mit Woodbury kommt schließlich ein bekanntes Setting hinzu mit aus der Serie bekannten Charakteren, das man beim Lesen des Romans einmal von einer anderen Seite kennenlernt. Ab da hat mir die Geschichte richtig gut gefallen.

 

Ein bisschen überrascht war ich, als sich die ersten Seiten des zweiten Teils des Doppelbandes las, denn hier werden auf einmal ganz andere Charaktere eingeführt - die erst einmal gar nichts mit Woodbury zu tun haben. Trotzdem fand ich mich hier deutlich schneller hinein, denn mit Lilly, Josh, Bob, Scott und Megan hat das Autorenduo diesmal eine recht dynamische Gruppe an Figuren geschaffen, die einen immer wieder überrascht hat und an deren Schicksal man recht schnell Anteil nahm. Was diese Fünfergruppe mit Woodbury und dem Governor zu tun hat, offenbart sich im Handlungsverlauf und auch hier sind Kirkman und Bonansinga deutlich geschickter vorgegangen und haben mich mit den Verknüpfungen und dem Zusammenspiel der Charaktere endlich so richtig überzeugt. Der Einblick in das Woodbury, bevor Rick und Co. dort aufschlagen und den Governor so richtig aufmischen, war faszinierend und fesselnd. Nur der Weg dahin war für mich mindestens ebenso beschwerlich wie für Philip Blake und die Gruppe um Lilly und Josh.

Mein Fazit
Ehrlich gesagt bin ich recht zwiegespalten, was den Doppelband "The Walking Dead - Der Anfang" angeht. Er hat sich für mich sehr stockend und quälend angelesen, der Schreibstil (beziehungsweise die Übersetzung?) ist alles andere als literarischerer Hochgenuss und die Figuren haben mich anfangs so gar nicht überzeugt. Ich war teilweise echt frustriert und habe mich gefragt, ob das noch was werden kann. Aber tatsächlich: Es wurde. Einige wirklich geniale Plot Twists, mit denen ich einfach nicht gerechnet hatte, und eine sehr dynamische und spannende Figurenkonstellation im zweiten Teil haben mich schlussendlich doch noch gefangen genommen und mich wahnsinnig neugierig gemacht auf den weiteren Werdegang des Governors. Deswegen ist das Buch, anders wie ich streckenweise befürchtet habe, doch kein Total-Reinfall für mich, sondern ein recht durchwachsener, letzten Endes aber vor allem für TWD-Fans ein richtig interessanter und spannender Roman.