Rezension

Heimat

Sibir -

Sibir
von Sabrina Janesch

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist 1945. Die Welt versinkt im Chaos, als Josef Ambacher gemeinsam mit seiner Familie und Hunderttausenden anderen Zivilisten aus Deutschland nach Kasachstan verschleppt wird. Alles, was sie bis dahin kannten, ist fort; sie müssen sich fortan in einem fremden Land, einer fremden Kultur, einer fremden Sprache zurechtfinden und sich an den Gedanken gewöhnen, fortan die Steppe ihr Heim zu nennen.
Jahrzehnte später, Josef hat inzwischen eine eigene Familie gegründet und konnte schon vor einer ganzen Weile nach Deutschland zurückkehren. Jetzt, 1990, findet er sich plötzlich in der Rolle derer wieder, die die Neuankömmlinge willkommen heißen. Denn nicht alle hatten so viel Glück, schon wenige Jahre nach der Verschleppung nachhause zurückkehren zu können; der weitaus größere Teil kommt jetzt erst nach, desorientiert, heimatlos. Josefs Tochter Leila ist noch ein Kind, als dieser ihr so fremde und doch merkwürdig vertraute Teil der Vergangenheit ihrer Familie Einzug in ihr Leben hält.

Beide Zeitebenen fügen sich großartig ineinander ein und vermitteln das Bild einer Suche nach Heimat und Heimkommen, stellen die Frage nach Zugehörigkeit und danach, wie es sich anfühlt, immer nur am Rand zu stehen und "fremd" zu sein. Die Beschreibungen dieser beiden Kindheiten, die vollkommen unterschiedlich verlaufen und doch so viel gemeinsam haben, sind eindrücklich und geprägt von Misstrauen und Angst, aber auch von Freundschaft und Menschlichkeit. Es ist also keinesfalls nur ein düsteres, bedrückendes Bild, das der Roman hier zeichnet; es gibt auch so viel Wärme in diesem Roman, im Leben Josefs und Leilas. Mich hat diese Geschichte jedenfalls sehr schnell in ihren Bann gezogen und ich hätte nach ihrem Ende auch noch eine ganze Weile weiterlesen können.