Rezension

Helden werden von anderen gemacht

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße -

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
von Maxim Leo

Bewertet mit 5 Sternen

Der Hauptheld dieses Romans, Michael Hartung, hat zunächst zwar ein Problem, aber geht recht phlegmatisch damit um. So ist er eben – ein ruhiger Zeitgenosse, der mir als Leserin von Anfang an sympathisch ist.

Michael Hartung hat ein finanzielles Problem, das existenziell zu werden droht. Aber anstelle sich darüber aufzuregen oder sich irgendetwas zu überlegen, sucht er einfach einen alten Film aus und lenkt sich damit ab. Irgendwie sieht er sich als Technologieverlierer – kein Wunder als Inhaber einer Videothek in Zeiten von Streaming-Diensten.

Als dann ein Reporter bei ihm auftaucht, weil der nach Durchforsten alter Stasi-Akten Michael Hartung als Helden sieht, der 1983 einen S-Bahn-Zug vom Bahnhof Friedrichstraße in den Westen umgeleitet und damit 127 Menschen zur Flucht aus der DDR verholfen haben soll, nimmt eine sehr witzige Geschichte voller Hochstapelei und Flunkerei ihren Lauf. In der Tat hatte Michael Hartung durch eine Verkettung unglücklicher – oder glücklicher? – Umstände einen Anteil daran, jedoch war das ein Zufall.

Die Sache wird natürlich, je weiter sie voranschreitet, immer verzwickter und spannender. Das Buch ist recht witzig geschrieben und ich empfand es als Wohlfühllektüre. Der Autor versteht es, interessante lebensechte Charaktere zu entwickeln. Das liegt wohl an seinem lebendigen Schreibstil, der sich den einzelnen Personen anpasst. Ich habe jede Szene wie einen Film vor mir sehen können, dabei mit den handelnden Personen empfunden und alles sehr genossen.

Es war von Anfang bis Ende spannend und ich konnte mich in fast alle „Mitspieler“ hineinversetzen. Für mich war alles besonders gut vorstellbar, weil ich die meisten Orte der Handlung kenne. Aber ich denke, dass das nur ein kleiner Zusatzeffekt ist. Für Ortsfremde ist diese Lektüre bestimmt genauso unterhaltsam.

Aus diesem Roman kann man eines lernen: Historische Darstellungen sind oftmals verfremdet. Wie so etwas funktionieren kann, sieht man an dieser fiktiven Geschichte. Das ist aber nicht so schlimm, wenn es allen in den Kram passt. So werden Helden oftmals erst von anderen gemacht.