Rezension

"Herkunft als Wimmelbild mit Drachen?"

HERKUNFT - Sasa Stanisic

HERKUNFT
von Sasa Stanisic

Bewertet mit 3 Sternen

...schimpft Sašas Großmutter am Ende dieses Werkes. Ein Werk, das um das Konstrukt Herkunft ringt, von Drachen handelt, die in den bosnischen Bergen hausen sowie von einer Großmutter, die am Ende ihre Lebens steht. Und nicht nur das.

Stanišic verwebt hier Biographisches, Essayistisches und Märchenhaftes miteinander. Er beschreibt Situationen des ehemaligen Jugoslawiens, das Erstarken des Nationalismus, das folgende Zerbrechen des Vielvölkerstaates, den Schrecken des Krieges und den Verlust seines Heimatlandes. Er schildert zudem sehr authentisch das (in Teilen bittere) Leben als Migrant in Deutschland: "Wir sammelten diskriminierende Erfahrungen wie Wanderer die Wanderstempel."

Wiederkehrend taucht die Frage nach der Herkunft auf. So analysiert Stanišic die verschiedenen Formen von Herkunft: geographische, ethnische, sprachliche, familiäre, genetische, nationale und soziale Herkunft und wägt diese gegeneinander ab. Und wo ist eigentlich Heimat, das Zuhause?

Stanišic` Großmutter Kristina ist ein Stück Heimat. Sie steht nun am Lebensende und ist an Demenz erkrankt. So wird es auch eine Hommage an die geliebte Großmutter und ein Abschied.

Des Autors Sprachwitz, seine Eloquenz und Situationskomik gefallen mir sehr gut. Er schreibt liebevoll und mit Augenzwinkern. Er kann definitiv Geschichten erzählen.

Er, ein "egoistisches Fragment", wie er sich selbst nennt und seine Großmutter, die ihn immer wieder auch "Esel" nennt, sind mir sehr sympathisch geworden..:)

Viele Passagen gefielen mir ausnehmend gut und berührten mich. Seine Gedanken zu Herkunft und seine Sicht auf Jugoslawien fand ich anregend und bereichernd. Letzteres hätte gern noch mehr sein können.

Insgesamt war mir das Werk dennoch zu sprunghaft, zu assoziativ und anekdotenhaft. Diese Erzählweise mag ich einfach nicht so sehr, das ist einfach mein persönlicher Geschmack. In manchen Passagen habe ich mich aber leider auch gelangweilt, und zwar, immer wenn es um den Berg und die Drachen ging. Der Schreibstil kam mir dort sehr abgehackt vor, es erreichte mich inhaltlich überhaupt nicht, so dass ich sogar überlegte abzubrechen und war dann doch froh, es nicht getan zu haben.

Auf den letzten Seiten kann man sich den Fortlauf der Geschichte aussuchen. Leider klappte das mit meinem E-Bookreader nicht so richtig und ich landete oft in falschen Versatzstücken.

Alles in allem bereue ich das Lesen dennoch auf keinen Fall, finde es inhaltlich sogar sehr wichtig und empfehle das Werk (un- )bedingt weiter.