Rezension

Herrlich.....

Kampfsterne - Alexa Hennig Von Lange

Kampfsterne
von Alexa Hennig von Lange

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein herrliches Buch....ich habe es schnell und gern gelesen und als jemand, der die 80er intensiv erlebt hat, so manche Parallele entdeckt. So waren sie weitgehend, diese 80er, kein wirklicher Befreiungsschlag, sondern ein Vortäuschen von Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung. Nebenbei enthält das Buch aber auch lustige Szenen bzw. Anmerkungen, ich hatte manches Mal ein Grinsen auf den Lippen.
Das Buch beschreibt Bewohner einer Siedlung, junge Familien mit Kindern, gut situiert, die ihren Kindern alle Türen öffnen möchten und dabei die Realität aus den Augen verlieren. Dabei lebt jeder einzelne auf seinem 'Stern' und bekämpft die anderen auf irgendeine Weise, schön dargestellt durch die kleinen Parzellen, die das Cover zieren.
Man wetteifert um die Begabung der Kinder, die Freundschaften der Kinder, das Ausschmücken des Eigenheims, die Gestaltung des Gartens und natürlich um den Grad der Emanzipation. Letztere zeigt sich meist aber nur darin, dass man z.B. Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer gelesen hat, dass man fantasiefördernde Kunstkurse besucht oder sich von den Kindern mit Vornamen anreden lässt, aber dies alles ziert nur das äußere Erscheinungsbild, denn in der Realität sieht es ganz anders aus. Denn da lässt sich die Architektin familiäre Gewalt gefallen, da wird über die Untreue des Ehemannes spekuliert, ohne ein klärendes Gespräch zu führen, da werden Kinder zu Prestigeobjekten, anstatt ihnen die ersehnte Nestwärme zu geben usw.  Eine Pseudoemanzipation, die durch das äußere Erscheinungsbild der Familie über die innere Unzufriedenheit und Frustration hinwegtäuschen soll.
Ich denke aber, dass die Kinder peu à peu diese Missstände durchschauen und es in der folgenden Generation besser gemacht haben...(???)
Das Buch ist abwechslungsreich geschrieben, in ständigem Perspektivwechsel, was die Schnelllebigkeit der 80er symbolisiert. Außerdem kommt so nie Langeweile auf, obwohl nicht wirklich viel passiert. Aber selbst als etwas wirklich Schlimmes passiert, verharrt man in Schockstarre, um die äußerliche Harmonie nicht zu stören!
Ich möchte hier eine klare Lesempfehlung aussprechen, denn das Buch spiegelt diese Zeit vortrefflich wieder mit ihren Errungenschaften, aber auch mit ihrem Versagen. Ein schöner Rückblick auf diese Zeit!