Rezension

Herrlich abgedrehter Jugendroman mit ernstem Kern

Strom auf der Tapete - Ada Badey, Claudia Kühn

Strom auf der Tapete
von Ada Badey Claudia Kühn

In Frankfurt an der Oder boxt nicht gerade der Papst, um es mit den Worten von Ron Robert Ranke zu sagen. Außer der dortigen Plattenbausiedlung, in der er mit seiner Mutter wohnt, hat der Hauptdarsteller des Jugendromans „Strom auf der Tapete“ noch nicht viel von der Welt gesehen. Das ändert sich an seinem 16. Geburtstag. Gemeinsam mit seiner sonderbaren Klassenkameradin Clara, die an den Rollstuhl gefesselt ist, fährt er hinaus in die große weite … Na ja, immerhin nach Letschow, ein verträumtes Nest an der polnischen Grenze, wo Ron Robert seinen Vater zu finden hofft.

„Strom auf der Tapete“ von Andrea Badey und Claudia Kühn (schrieb unter anderem die Romane „Türkisch für Anfänger“ und „Banklady“) ist ein herrlich abgedrehtes Jugendbuch, das auch erwachsenen Lesern eine Menge Spaß bereitet. In erster Linie ist das der wunderbaren Figur des Ron Robert Ranke alias Dicki zu verdanken, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Obwohl er nur selten duscht, ist Ron Robert ein echter Gentleman und stiehlt sich deshalb mitten ins Leserherz. Selbst die Nebendarsteller (wie etwa die böse Nachbarin Frau Müller) sind bis ins Detail ausgefeilt und strotzen nur so vor Lebendigkeit.

Mit authentischem Jugendsprech, kanonenfeuerähnlichen Dialogen und vielen kleinen Skurrilitäten, mit denen das 192-seitige Buch gespickt ist, lassen Andrea Badey und Claudia Kühn mit „Strom auf der Tapete“ das Zwerchfell des Lesers erbeben. Ron Robert zum Beispiel ist neben der Schule als An- und Verkäufer tätig und handelt sowohl mit Klopapier als auch mit abgelaufenem Dosengemüse. Seine wohnungslose Freundin aus der Plattenbausiedlung, die Bushäuschenkaiserin, bedenkt er dabei hin und wieder mit kleinen Geschenken aus seinem Imperium.

Und doch steckt hinter all den kuriosen und amüsanten Begebenheiten und Personen eine ernste Geschichte. Rons Mutter Peggy gibt sich in der Plattenbau-Tristesse dem Alkohol und wechselnden Männerbekanntschaften hin, während Clara ihre superreichen und immerzu beschäftigten Eltern so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Aber Ron Robert und Clara wären nicht Ron Robert und Clara, wenn sie die Köpfe hängen ließen und jammern würden. Denn bei den beiden ist immerhin mächtig Strom auf der Tapete.