herrlich, wenn die Lügen der Urlaubsbekanntschaften aufgedeckt werden
Urlaubsbekanntschaften sind nicht immer wirklich erfüllend. Besonders nicht, wenn, wie im Roman von Mark Billingham „Die Lügen der Anderen“, am letzten Urlaubstag ein junges Mädchen vermisst wird. Und wenn dann noch die Mutter vor der unfreiwillig zusammengewürfelten Gruppe von drei aus England stammenden Pärchen steht, um sie unschlüssig doch irgendwie auffordern will mit zu suchen. Aber sie macht es nur halbherzig, also bleiben alle liegen, um die letzten Sonnenstrahlen in Florida vor dem Abflug nach London zu genießen. Zurück bleibt eine unglückliche Mutter, die Tage und Wochen im Resort bleibt und hofft, dass sie doch noch wieder auftaucht, ihre allzu vertrauensselige Tochter.
Zurück im kalten England will nun eine der drei Ladys unbedingt, dass sie sich zum Essen treffen, nicht nur, um die Erinnerungen an einen Urlaub auffrischen zu lassen, sondern auch, um darüber zu diskutieren, was denn eigentlich aus dem verschwundenen Kind geworden ist. Erst da wird allen klar, dass sie zwar oft mit diesem gesprochen haben, ihnen aber bewusst der Name nicht einfallen will. Im Vorfeld dieses und der nächsten zwei Treffen, die unweigerlich folgen, lässt uns der Autor in die Gedankenwelt dieser drei Pärchen teilhaben.
Und ab und zu blitzen auch in wenigen Zeilen die Entschuldigungen des Täters auf, warum dieser das Kind ermordet hat. Denn das ist ganz klar. Das Kind ist tot. Und nicht nur dieses. Wir gehen die wenigen gemeinsamen Augenblicke mit dem Täter mit, wenn dieser sich ein weiteres Kind aussucht und letztendlich auch tötet. Doch waren die beiden die einzigen Opfer? Und wer ist der Täter?
Billingham lässt keinen Zweifel daran, dass dieser unter den drei Pärchen zu suchen ist, deren Charaktere wir von Treffen zu Treffen näher kennen lernen. Ist es dieser Buchvertreter, der an keinem Rock vorbeigehen kann, ohne dass er an Sexpraktiken denkt? Oder etwa seine Frau, Lehrerin, voller Geheimnisse, die ihrerseits alles über ihren Mann weiß? Vielleicht aber auch der Bauunternehmer, dem der Gedanke an Sex nur noch der pure Schweiß ausbrechen lässt, soviel Stress bereitet ihm das, nach all den Sorgen, die ihm seine Exfrau und sein Bruder bereiten. Und was ist mit dessen Frau, die, ebenfalls in zweiter Ehe, soviel Interesse an diesem Fall zeigt und unbedingt alle wieder zusammenbringen will? Das dritte Pärchen ist noch nicht verheiratet, sie sind die jüngsten unter den Urlaubsbekanntschaften, er ein Nerd, Spieledesigner, Snob und sie eine Farbige mit düsterer Vergangenheit, die unbedingt Schauspielerin werden will. Wir erfahren mehr als uns lieb ist, und doch bleibt einiges offen. Für unsere Fantasie.
Über die Kinder und deren Eltern teilt uns der Autor nur das Allernotwendigste mit. Nur das Ermittlerteam bekommt ein besonderes Gewicht in dieser Story. In den Staaten ein alter Hase, der unverdrossen damit beschäftigt ist, das junge Mädchen zu finden. In England eine Anfängerin, die durch die Verhöre der drei Pärchen darauf kommt, hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Nach dem Auffinden der ersten Leiche in Amerika und dem verschwinden des zweiten Kindes kommt es in England zum Showdown.
Packend, gruselig, düster, ein Buch für den nebligen Herbst!