Rezension

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Herrlicher Mikrokosmus Dorf

Unterleuten - Juli Zeh

Unterleuten
von Juli Zeh

„Unterleuten“, das Dorf, das von der Autorin Juli Zeh in ihrem Gesellschaftsroman beschrieben wird, gibt es überall. Im Mehrfamilienhaus, in der Nachbarstraße, im Vorort, selbst in kleineren und größeren Unternehmen. Jedenfalls mehr oder weniger. Dieser Roman ist schon vielfältig analysiert, rezensiert und beschrieben worden, ein Film ist in Arbeit. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Die Figuren sind alle glaubhaft, nichts ist wirklich übertrieben.

Ein Ort mit rund zweihundert Seelen, der nach der Wende vieles durchmachen muss, um überhaupt weiter bestehen zu können, spielt die Hauptrolle. Oberflächlich ist alles gut, nur die wunderlichen Dinge, die dort geschehen, zeigen, hier ist absolut nichts, wie es sein soll. Da brennt es in Nachbars Garten ununterbrochen und giftige Schwaden ziehen zum Vogelschützer und seiner Familie hinüber. Zugezogene aus der Hauptstadt, die nun zeigen wollen, welche Macht sie haben. Ein Großgrundbesitzer, der vielen Arbeit gibt in einem Ort, der nur wenig zu bieten hat. Und der glaubt, mit seinen Spenden die vermeintliche Ruhe halten zu können. Eine Pferdenärrin, die ihren Freund unter der Knute hält und mithilfe eines Bodenspekulanten die Ordnung im Dorf ändern möchte. Es gibt noch einige Figuren, die zum Beispiel unter http://unterleuten.de/unterleuten.html bestens beschrieben sind.

Herrlich ist es, wie sie alle miteinander von sich selbst überzeugt sind. Der beschriebene Wirtschaftskreislauf ohne Geld, Gefälligkeiten, die im Ort und zu Nachbardörfern Menschen aneinander binden. Wer braucht schon Obrigkeiten und Polizei, wenn man untereinander alles regeln kann?

In sechs Kapiteln und vielen Abschnitten kommen Gegenspieler zu Wort und teilen uns ihre Weisheiten, Wahrheiten und Meinungen mit. Jeder und Jede ist von sich überzeugt, weiß ganz genau, was andere Personen von ihr beziehungsweise ihm hält unter den gegebenen Umständen. Und nun sollen Windräder das Leben aller komplett verändern. Geld spielt wie immer eine große Rolle, denn dort, wo sie aufgestellt werden, fließt es wie dolle und in die Ortskasse sowieso. Doch leider gibt es keinen Eigentümer, der über die gesamte Fläche alleine entscheiden kann. Nun brechen nicht nur alte Geschichten wieder auf und kommen an die Oberfläche, sondern werden mit neuen vermischt. Ob es am Ende Gewinner geben kann?
Selbst wenn man durch Internetrecherche doch so vieles mitbekommen hat, was im Roman beschrieben wird, es selbst zu lesen ist unterhaltsam, witzig, manchmal sehr traurig und bitter, doch will man so gerne immer mehr. Das liegt an dem Schreibstil, den Drehungen und Wendungen, die nur wenig offen lassen. Aber das wenige, das offen bleibt, ist ein Rätsel, das leider nicht gelöst wird. Welches das ist, mag jeder selbst herausfinden.

Über das Buch gibt es von Juli Zeh unter www.unterleuten.de noch vieles mehr zu erfahren.