Rezension

Hervorragend

Übertretung -

Übertretung
von Louise Kennedy

Bewertet mit 5 Sternen

1975 in Belfast. Cushla Lavery ist Lehrerin an einer katholischen Schule, lebt aber auf der Grenzlinie zwischen den verfeindeten Religionen. Ihre Mutter trinkt und versinkt in Selbstmitleid, ihr Bruder betreibt einen Pub, in dem auch englische Soldaten verkehren. Cushla hilft, wo sie nur kann, sorgt für ihre Mutter, kellnert im Pub und sorgt sich auch noch um die Sicherheit ihrer Schüler. Als sie im Pub dem protestantischen Anwalt Michael begegnet und sich in den verheirateten Mann verliebt, nehmen schreckliche Ereignisse ihren Lauf.

Das Buch ist sehr vielschichtig. Nicht nur die Liebesgeschichte zwischen Cushla und Michael spielt eine wichtige Rolle, sondern auch der Schrecken des Bürgerkriegs, die ständige Angst vor Anschlägen, die Schikanen durch die englischen Soldaten, die prekäre Situation der Familien mit der hohen Arbeitslosigkeit, die Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen. Dadurch ist das Buch sehr realistisch und sehr politisch. Manchmal musste ich das Buch aus der Hand legen und konnte nicht weiterlesen, weil mir die geschilderten Ereignisse so unter die Haut gingen.

Es ist hilfreich, wenn man sich zumindest in groben Zügen mit der Geschichte Irlands und den "Troubles" von 1973 bis 1998 auskennt. Ich hatte vorher schon den Film "Belfast" gesehen, was mir persönlich beim Verständnis des Buches sehr geholfen hat.

Louise Kennedy schreibt zwar nüchtern, aber gerade dadurch wird das Buch sehr eindringlich und wirkt lange nach. Ich bin eigentlich bei solchen hochgelobten Büchern sehr misstrauisch, aber dieses Buch hat jedes Lob verdient. Unbedingt lesenswert! Für mich war es eines der besten Bücher des Jahres 2023.