Rezension

hervorragender historischer Roman mit Tiefgang

Die verbotene Zeit - Claire Winter

Die verbotene Zeit
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

„Das verbotene Land“ ist ein hochemotionaler Roman über drei junge Frauen und wie der Nationalsozialismus und persönliche schicksalhafte Entscheidungen ihre Lebenswege maßgeblich beeinflussen.
Dora und Edith kommen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen, werden aber über diese sozialen Grenzen hinaus schnell enge Freundinnen. Als die Nazis in den 1930ern die Macht ergreifen, ändert sich alles in Deutschland und diese Veränderungen haben auch Einfluss auf die jungen Frauen. Private Schicksalsschläge und eine verbotene Liebe sind nur der Anfang der schweren Prüfungen für die beiden und auch ihre Freundschaft gerät darüber in Gefahr.
40 Jahre später versucht die junge Engländerin Carla herauszufinden, warum ihre Schwester vor Jahren spurlos verschwunden ist und was ihre deutschstämmigen Eltern und deren Vergangenheit damit zu tun haben.

Die Geschichte spielt also in zwei Zeitebenen, die so geschickt miteinander verflochten sind, dass es eine homogene Erzählung mit durchgehend ansteigender Spannungsspirale ist, der der Leser atemlos von Kapitel zu Kapitel, von Zeitsprung zu Zeitsprung folgt. Am Anfang gibt es für Carla und den Leser mehrere große Fragen. Stück für Stück, wie ein Puzzle, werden die Geheimnisse gelüftet, wird die Vergangenheit erzählt und die Suche nach der Wahrheit vorangetrieben. Dabei scheut die Autorin nicht davor zurück, die damaligen Gräuel der Nazis auf eindringliche Art und Weise zu beschreiben, die zunehmenden Repressalien für die jüdischen Deutschen, die Ausgrenzung und schließlich Verfolgung und Inhaftierung. Vor allem Dora und Edith sind durch tragische und teils sehr dramatische Geschehnisse betroffen und werden seelisch und körperlich an ihre Grenzen gebracht.

Ich habe bereits den Vorgänger-Roman von Claire Winter gelesen muss aber sagen, dass dieser hier vor allem was die historischen Fakten betrifft, noch eine Schippe drauflegt. Die Heldinnen sind lebensecht und liebenswert und ich habe mit ihnen geliebt und gelitten. Auch die männlichen Charaktere sind durch die Bank interessant und vor allem der erklärte „Bösewicht“ Heinrich ist teilweise so furchterregend und die Szenen mit ihm so beklemmend wie ich es schon lange nicht mehr in dieser Form beim Lesen empfunden habe. Gott sei Dank gibt es aber immer wieder lichte, helle Momente in diesem Buch und vor allem Jules und seine Entwicklung bis in die Gegenwart haben mich berührt und begeistert. Ganz großes Kopfkino wird hier geboten und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen und ich war richtig traurig, als die Geschichte dann zu Ende ging.  :anbet:

Dieser Roman wirft gleichzeitig auch einige sehr interessante Fragen auf, beschäftigt sich mit Themen, die in ihrer Grundsätzlichkeit weit über einen normalen Unterhaltungsroman hinausgehen. Es geht um Schuld und Sühne, um Vergebung und Verzeihen. Kann Wahrheit mehr schmerzen als eine Lüge aus Liebe? Können kleine Fehler und verständliche Schwächen das Leben anderer zerstören und müssen die Kinder für die Sünden der Eltern büßen und leiden?