Rezension

Herz auf Eis

Herz auf Eis
von Isabelle Autissier

Bewertet mit 4 Sternen

Als ihr Arbeitsleben und ihre Beziehung in Routine und Langeweile abzudriften droht, beschließen Louise und Ludovic auszubrechen und ein Sabbatjahr zu nehmen. Mit einem Schiff wollen sie die Welt umrunden und neue Erfahrungen sammeln. Eine unbewohnte Insel vor Kap Horn ist einer der Stopps, kann man dort doch unberührte Landschaft bei Wanderungen entdecken. Während sie durch die Berge laufen, zieht schlechtes Wetter auf. Sie beschließen nicht raus zur Yacht zu fahren, sondern die Nacht auf der Insel zu verbringen bis sich das Wetter wieder beruhigt hat. Am nächsten Morgen jedoch müssen sie entdecken, dass der Sturm ihre Yacht losgerissen hat und sie auf der Insel festsitzen. Fernab der Zivilisation beginnt der Kampf ums nackte Überleben und die ohnehin bisweilen fragile Beziehung wird auf ihre schwerste Probe gestellt.

 

Das Buch besteht aus drei letztlich sehr verschiedenen Teilen. Zunächst lernen wir Ludovic und Louise kennen, ihre gemeinsame Vergangenheit und vor allem die Unterschiede in ihren Charakteren. Louise, die schüchterne und um Sicherheit bemühte Beamtin, die nur beim Wandern entspannen und locker werden kann. Dagegen der Frauenschwarm Ludovic, in bessere Verhältnisse geboren und vom Leben verwöhnt, der berufliche Niederlagen nur schwer verkraften kann und daher schnell einen Ausweg sucht. Dass diese beiden überhaupt zueinander finden, ist schon eher verwunderlich und dass sie sich auf die enge einer Yacht begeben, verspricht Konfliktpotenzial.

 

Der Hauptteil des Buchs beschreibt die Gefangenschaft auf der einsamen Insel. Ganz praktisch wird schnell klar, dass die beiden Großstädter in keiner Weise auf das Leben inmitten der Natur vorbereitet sind und einfachste Tätigkeiten sie vor große Herausforderungen stellen. Reparaturen ebenso wie die Jagd nach Essen erschöpfen sie vollends und bieten immer wieder Anlass für Streit und Zerwürfnis. Ab einem gewissen Punkt wird offenkundig, dass sie dieses Abenteuer wohl nicht beide überleben werden, nur wer am Ende robuster und härter ist, bleibt zunächst offen. Im abschließenden Teil folgt die Rückkehr in die Zivilisation. Ohne zu viel vorwegzunehmen, lässt sich dies jedoch kaum beschreiben, bietet jedoch einen nochmals gänzlich anderen Aspekt dieser Geschichte, der ebenfalls seinen Reiz hat und alles andere als unkritisch ist.

 

Zugegebenermaßen klang der Klappentext für mich nur wenig interessant, eine Reise auf eine einsame Insel und die Herausforderung dort zu überleben, konnte mich zunächst nicht locken. Viele begeisterte Leser jedoch, haben meine Neugier geweckt. In der Tat haben mich Isabelle Autissiers Beschreibungen der Einsamkeit und der Not überzeugen können, man findet die Jagd auf Pinguine interessant und leidet mit den Figuren, wenn sie einmal mehr eine gute Idee hatten und es das Schicksal wieder einmal nicht gut mit ihnen meint. Auch der Kleinkrieg zwischen den beiden Partnern, die sich gegenseitig beschuldigen und zwischen der Erfordernis, gemeinsam ums Überleben zu kämpfen, und den Schulzuschreibungen gefangen sind, gelingt der Autorin glaubwürdig darzustellen. Der für mich stärkste Teil jedoch ist die Rückkehr und die damit verbundenen psychologischen Prozesse. Hier entwickelt der Roman sein stärkstes Potenzial.

 

Alles in allem ein Roman mit einem durchaus bekannten Setting, dies aber gelungen mit authentischen Figuren unserer Zeit umgesetzt.