Rezension

Herzensbrief

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall - Domenico Dara

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
von Domenico Dara

Bewertet mit 4 Sternen

Ende der 1960er Jahr im Süden Italien lebt ein Postbote eigener Art. Er ist seinen Mitmenschen gegenüber eher zurückhaltend. An den Briefen, die durch seine Hände gehen, hat er doch ein gewisses Interesse. Briefe, die besonders aussehen, die besonders riechen, die einen besonderen Adressaten haben, diese Briefe erhalten eine besondere Behandlung. Vor der Zustellung prüft der Postbote erstmal, ob sie in der geschriebenen Form übermittelt werden können. Mit außerordentlichem Geschick gelingt es dem Postboten Schriftbilder nachzuahmen, so dass er eine Entdeckung kaum zu fürchten hat, wenn er den Inhalt den allzu harten oder schmerzlichen Inhalt eines Briefes in gefälligere Worte kleidet.

 

Etwas eigenartig ist die Arbeitsauffassung des Postboten des kleinen Ortes Girifalco schon. Doch in dem kleinen Dorf kennt jeder jeden und so sind die Briefempfänger auch dem Briefträger nicht fremd. Wenn er dann mit ungezügelter Neugier einige Briefe öffnet und schwer erträgliche Nachrichten glättet, kann man ihn durchaus verstehen. Vielleicht wird sein Berufsstand grundsätzlich eher unterschätzt, an diesem Postboten ist jedoch ein Philosoph verloren gegangen. Über alles und jedes kann er sich Gedanken machen und jeder Zufall ist eine Betrachtung wert. Seine Einsamkeit rührt jedoch nicht von ungefähr, musste er doch auf seine große Liebe verzichten.

 

Den Ort Girifalco gibt es wie Google Maps verrät im Übrigen tatsächlich. Hätte man diese Feststellung vor der Lektüre getroffen, hätten sich einige Wege des Postboten möglicherweise anhand der Karte nachvollziehen lassen. Dieser echte Bezug lädt zudem dazu ein, ein paar Momente auf den möglichen Echtheitsgehalt des Romans zu verwenden. Gut vorstellbar, dass so ein Postbote trotz der eher unerlaubten Handlungen als gute Seele des Ortes seine Bahnen zieht. Doch vernachlässigt er, indem er anderen zu schönen Briefen verhilft, nicht sein eigenes Leben? Wenn es gälte zu handeln, hält er sich zurück. Schon hat er sich die Szenerie visualisiert, durchdacht und das Ergebnis vorausgeahnt. Und so sicher ist er sich, dass er die eigentlich vorausgesetzte Frage nicht erst stellt. Je länger man den Postboten beim Austragen seiner Briefe begleitet, desto mehr wünscht man sich, er würde nicht nur die fremden Leben leben, sondern sich auf sich selbst besinnen.

 

Ein melancholischer und doch humorvoller Roman mit einem sympathisch knorrigen Helden, der die alten Gassen eines echten Ortes durchwandert.