Rezension

Heute immer noch so lesenswert wie damals

Das Decameron - Giovanni Boccaccio

Das Decameron
von Giovanni Boccaccio

Genau das Richtige für unser schnelllebiges Zeitalter, in der viele Leser nicht mehr die nötige Zeit und Konzentration aufbringen, lange Texte am Stück zu lesen. Abgesehen davon, sind die Geschichten, obwohl sie schon fast 700 Jahre alt sind, immer noch so frisch wie damals.

Die Rede ist vom Decameron des Florentiners Giovanni Boccaccio. Als Zeitgenosse Dantes und Petrarcas zählt er zu den drei großen Klassikern Italiens.

1313 geboren, schreibt er sein Meisterwerk kurz nach der schrecklichen Erfahrung der Pest, die im Jahr 1348 in ganz Europa wütet.

Eine Gruppe von sieben jungen Frauen und drei jungen Männern begibt sich auf ein Landhaus in der Nähe von Florenz, um dem schwarzen Tod zu entgehen. Zum Zeitvertreib erzählen sie sich tagsüber gegenseitig Geschichten, zehn Stück pro Tag. Abends wird gegessen und gefeiert. Nach zehn Tagen kommen so also einhundert Geschichten zusammen. Und so kommt auch der Name des Buches zustande: griechisch deka (δέκα) für zehn und  hemera (ἡμέρα) für Tag. Und diese Geschichten haben es in sich: Sie stellen das pralle italienische Leben im italienischen Spätmittelalter dar. Es sind derbe, tragische, komische und erotische Geschichten vertreten, besonders der Klerus kommt nicht gut weg (da gibt es Nonnenklöster, in denen die Nonnen mit Hilfe des Gärtners für reichlich Klerikernachwuchs sorgen, beischlafende Mönche und Äbte, heuchelnde Anwälte, die posthum  heiliggesprochen werden).

Das Dekameron ist in der Umbruchzeit vom Mittelalter zur Renaissance entstanden. Und das ist auch das Besondere an diesem Buch: es überwindet durch seine Lebensfreude und durch seine frei handelnden und denkenden Figuren den mittelalterliche Mentalitätsraum. Mit der Benutzung der italienischen Volkssprache begründet Boccaccio mit dem Decameron eine europäische Erzähltradition, die Vorbild wurde für Generationen von Erzählern.

Die neue Übersetzung des Boccaccio-Spezialisten Peter Brockmeier enthält überdies einen Kommentar, der Quellen und Nachwirkung beschreibt, Anspielungen erhellt und die historischen Hintergründe erläutert.