Rezension

Heute ist morgen gestern

Homo Deus - Yuval Noah Harari

Homo Deus
von Yuval Noah Harari

Bewertet mit 5 Sternen

In seinem zweiten Buch (nach “Eine kurze Geschichte der Menschheit“) führt uns Yuval Noah Harari in elf, unterschiedlich langen Kapiteln in neue, teilweise verstörend wirkende Hypothesen ein.

Zu Beginn erzählt er die „Erfolgsgeschichte“ des Homo Sapiens, der sich vom einfachen Jäger und Sammler über feudale Herrschaftsstrukturen zu heute aktuellen Zusammenlebensformen entwickelt hat.
Viele der ehemaligen Bedrohungen wie Seuchen oder Kriege sind (beinahe) ad acta gelegt. Auch, wenn es an manchen Orten der Welt zu Kriegen und/oder Ausbruch von Krankheiten kommt, ist Homo Sapiens eigentlich recht sicher.

Allerdings hat er es selbst in der Hand, diese Pseudoidylle wieder zu zerstören. Wir sind auf dem besten Weg dazu, wenn wir so weiter machen wie bisher.

Hararis Hypothesen klammern Gefühle und Religion aus. Es zählen für ihn nur nackte Tatsachen und harte Fakten. Die interessante These, dass er auch den Kommunismus zu den Religionen zählt, ist angesichts des Personenkults um Lenin, Stalin, Mao, Castro etc. nicht von der Hand zu weisen. Den Gläubigen wirft er Nietzsches „Gott ist tot“ an den Kopf und die Humanisten schaffen sich, seiner Meinung nach, gleich selbst ab.

Interessant (und gleichzeitig erschreckend) finde ich seine Hinweise zur „Maschinenwelt“, in der Cyborgs den Menschen zum Großteil ersetzen (können und werden). Das ist nun nicht ferne Zukunft à la Science Fiction sondern teilweise schon Wirklichkeit. 
Die Wandlung von Dienstleistung, die von Menschen erbracht wird/wurde und nun von einer Maschine verrichtet/erledigt wird, ist schon längst eingezogen. Man denke nur an eine Bankdienstleitung. Früher (vor weinigen Jahren) ist man noch mit einem Zahlschein zum Schalter gelatscht und der physische Mitarbeiter hat die Überweisung erledigt. Heute, im Zeitalter von Smartphone macht der „Kunde“ alles selbst (und wird trotzdem zur Kasse gebeten).

Das Buch ist sehr sachlich geschrieben. Harari provoziert mit einem Großteil seiner Thesen, regt aber auch zum Nachdenken an. Manchmal blitzt ein etwas schräger Humor durch. Da habe ich den Eindruck, er verschaukelt sich selbst und seine Leser. 

Hin und wieder sind seine Mantra-artigen Wiederholungen mühsam bis lästig. Da bin ich schon versucht zu sagen, „Ja, hallo, ich hab’s schon gelesen und kapiert“

Ich glaube, dass keines dieser Szenarien in der angesprochenen, extremen Form eintreten wird. Das eine oder andere Segment ist bereits oder wird demnächst Wirklichkeit sein. Wir müssen in Zukunft in kleineren Zeitdimensionen rechnen – 10 Jahre sind eine extrem kurze oder lange Zeitspanne.

Ob aus dem „Homo Sapiens“ wirklich ein „Homo Deus“ wird, wage ich zu bezweifeln. Herrenmenschenallmachtsfantasien haben die Menschheit schon mehrmals an den Rand des Abgrunds gedrängt. Hoffen wir, dass nicht ausgerechnet der „Homo Deus“ einen Schritt weitergeht.

Fazit:

Auch wenn ich nicht mit allen Aussagen von Harari d’accord gehe, gebe ich diesem Werk fünf Sterne. Vor allem deshalb, weil man über den Inhalt trefflich diskutieren und auch streiten kann.

Kommentare

Emswashed kommentierte am 09. Februar 2019 um 08:16

Schöne Rezension! Harari provoziert aber weniger wie z.Bsp. Richard Dawkins. Das mantraartige Wiederholen seiner Argumente habe ich auch erst als störend, später dann aber als sehr hilfreich empfunden; es erhöht die Stringenz ungemein!