Rezension

Hexenverfolgung, Action, Liebe und eine zwiespältige Heldin

Witch Hunter
von Virginia Boecker

Bewertet mit 4 Sternen

Die Autorin machte ihren Abschluss in englischer Literatur an der University of Texas und wohnt heute mit ihrer Familie im amerikanischen Bundesstaat Oregon. In ihrem Lebenslauf finden sich aber auch vier Jahre, in denen sie sich in London intensiv mit der mittelalterlichen Geschichte Englands beschäftigte, welche dann zur Grundlage von "Witch Hunter" wurde.

Die verwinkelten Städte und Dörfer, die Kleidung der Menschen, die Kluft zwischen Adel und Bürgerlichen, die Angst vor Magie, die Scheiterhaufen… Bunte, anschauliche Details lassen einen Hauch unserer tatsächlichen Vergangenheit zur Zeit der Hexenverfolgung erahnen, aber darüber hinaus erzählt das Buch eine spannende Fantasygeschichte, die sicher nicht nur junge Leser begeistern wird. Viel Neues hat die Grundgeschichte vielleicht nicht zu bieten, aber sie ist solide umgesetzt und liest sich sehr unterhaltsam.

In dieser Welt ist Magie etwas ganz Reales, das lange Zeit nicht nur als normal, sondern auch als gut und erstrebenswert angesehen wurde. Aber dann brach die Pest aus und wütete verheerend unter den Menschen, und es hieß, Magier hätten diese Krankheit erschaffen. Danach wurde Magie strikt verboten, und seitdem kann einen das kleinste Fehlverhalten auf den Scheiterhaufen bringen. Der zweitmächtigste Mann im Land ist direkt nach dem König der Inquisitor Blackwell, dem die Hexenjäger unterstehen - zumeist sehr junge Menschen, zum Teil Waisen, die schon als Teenager mit der harten Ausbildung begonnen haben.

Elizabeth, die Protagonistin, verlor mit neun Jahren ihre Eltern an die Pest und wurde kurz danach von dem nur zwei Jahre älteren, ebenfalls verwaisten Caleb gefunden. Die zwei Kinder zogen gemeinsam los, fanden Arbeit in der Stadt, ersetzten sich gegenseitig die Familie… Schließlich wurde Caleb als Hexenjäger rekrutiert und überredete Elizabeth, die zu dem Zeitpunkt noch ein Kind war, ihm zu folgen und die Ausbildung ebenfalls anzutreten. Zu Beginn der Geschichte ist Elizabeth sechzehn Jahre alt, hat aber schon zwei Jahre im aktiven Dienst hinter sich und gilt als hochtalentiert, diszipliniert und gefährlich.

Am Anfang tat ich mich etwas schwer mit Elizabeth. Sie erschien mir für ihr Alter schon sehr abgebrüht und skrupellos: sie weiß genau, was mit den Hexen und Zauberern passiert, die sie jagt und abliefert, und dennoch kann sie nach einer Verhaftung noch unbefangen lachen. Im Laufe der Geschichte gewann ich aber den Eindruck, dass sie im Prinzip selber ein Opfer der Inquisition ist. Durch den frühen Verlust ihrer Eltern war sie als Kind sehr empfänglich für die Anti-Magier-Propaganda, und das wurde von Blackwell schamlos ausgenutzt, um sie geradezu für seine Zwecke abzurichten.

Mir hat gut gefallen, dass sie im Laufe der Geschichte eine echte Wandlung durchmacht. Zwar dauert es ein bisschen, bis sie endlich anfängt, die Dinge zu hinterfragen, aber eigentlich ist das nur realistisch! Eine jahrelange Dressur auf eine bestimmte Weltanschauung lässt sich eben nicht über Nacht ungeschehen machen. Mehr und mehr kristallisiert sie sich heraus als starke, aber dennoch verletzliche junge Frau, die zu echter Reue fähig ist.

Auch die anderen Charaktere fand ich gut ausgearbeitet, glaubhaft, lebendig und unverwechselbar. Die meisten zeigen im Laufe der Geschichte verschiedene Seiten ihrer Persönlichkeit, und ich vermute, dass wir besonders über Blackwell und Perevil, den Inquisitor und den Hexenmeister, in folgenden Bänden noch mehr erfahren werden.

Und natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte. Zu viel möchte ich darüber nicht verraten, nur soviel: die junge Liebe wird noch ganz zart und zaghaft beschrieben, war aber gerade dadurch für mich sehr berührend und romantisch.

Die Geschichte hat viel an Spannung und Action zu bieten, und auch in den ruhigeren Passagen fand ich sie nie langweilig. Ein, zwei Entwicklungen habe ich mir zwar schon vorher gedacht, aber dennoch fand ich die Auflösung am Schluss nicht gänzlich vorhersehbar. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass auf den Konflikt zwischen Caleb und Elizabeth näher eingegangen wird.

Der lebendige, ausdrucksstarke Schreibstil hat mir sehr gut gefallen; er verbindet wunderbar das Historische mit dem Fantastischen. Die Autorin beschreibt alles ausführlich genug, dass man jede Szene vor sich sehen, hören und manchmal auch riechen kann, aber dennoch in raschem Tempo, locker und mitreißend.

Fazit:
Hinter dem traumhaften Cover versteckt sich ein spannender Fantasyroman für junge LeserInnen, der auf der mittelalterlichen Geschichte der Hexenverfolgung beruht. Die Handlung erfindet das Genre vielleicht nicht neu, hat dafür aber einen ansprechenden Schreibstil und facettenreiche Charaktere zu bieten. Besonders die junge Heldin der Geschichte ist in meinen Augen sehr interessant und konnte mich durch ihr emotionales Wachstum überzeugen.