Rezension

Hier dreht sich alles im Kreis

Gefährliche Jagd - Maria Tomoons

Gefährliche Jagd
von Maria Tomoons

Bewertet mit 0.5 Sternen

Was hatte ich alles von diesem Buch erwartet! Allein der Klappentext und selbst das Cover suggerieren ja förmlich die Tribute von Panem, eine Messlatte, die in diesem Fall so hoch lag, dass sie sich geradezu auf einem Planeten am anderen Ende des Universums befand.
Es geht um Maria, die bei einem Gewinnspiel die Teilnahme an einem Spiel gewonnen hat. Zwei Wochen lang werden 180 Jugendliche in einem großen Waldstück ausgesetzt, aufgeteilt in Jäger und Gejagte. Dabei sind die Jäger jeweils in Gruppen zu fünft unterwegs, während die Gejagten zu viert sind. Es gibt ein paar Regeln, zum Beispiel, dass die sich überall herumtreibenden Kameraleute nicht beachtet werden dürfen, es sei denn, jemand aus der Gruppe ist verletzt. Organisiert wurde das Spiel von einem Herrn Malus, der jedoch aufgrund des Geldes, das er mit dem Spiel verdienen möchte, mittendrin die Regeln ändert. Alles wird härter, brutaler.

Mit dieser Ausgangsbasis wurde das Rad nicht neu erfunden, aber das erwartet auch kein Mensch. Die Tribute selbst lehnen sich stark an Battle Royal an, und das nervt keinen, weil es eben extrem gut umgesetzt ist. Doch hier, was passiert hier? Immer dasselbe. Maria und ihre Truppe rennen vor Jägern weg, suchen Essen, rennen vor Jägern weg, suchen Essen. Manchmal rennen sie auch vor Gejagten weg. Ab und zu suchen sie erst Essen, bevor sie vor irgendwem weglaufen. Manchmal verlieren sie auch Essen, bevor ... na? Ihr könnt es euch denken. Selbst das könnte alles spannend sein, wenn es nicht so simpel geschrieben wäre. Klar, wie soll man auch ewiges Weglaufen beschreiben außer "wir rannten"? Besonders beeindruckt war ich, weil keiner von denen überhaupt in irgendeiner Form ein Topsportler war, aber die konnten echt jeden Tag über Stunden laufen, bei wenig oder zumindest wenig nahrhaftem Essen.

Es haperte hier an allen Ecken und Enden. Wenden wir uns einfach mal der Logik zu. Die Jugendlichen schlafen zwei Wochen lang im Wald. Sie haben nur die Klamotten am Leib, mit denen sie gestartet sind. Jeder, der auch nur eine Nacht im Wald verbracht hat, wird wissen, was das für ein Humbug ist. Selbst in den heißesten Sommernächten ist das Schlafen im Wald eine kalte Angelegenheit, ohne sich mit etwas zudecken zu können. Da hilft alles Kuscheln und Knuddeln nichts. Die Feuchtigkeit kriecht aus dem Boden, der Wald selbst gibt Feuchtigkeit ab - wer meinen Erfahrungen nicht glaubt, dem empfehle ich die Sachbücher von Peter Wohlleben, der das auch noch wissenschaftlich erklärt. Spätestens nach zwei Nächten ist man so erschöpft und unausgeschlafen, dass man sich freiwillig fangen lässt. Logik allgemein ist keine Stärke des Buches. Die Jäger (wir reden hier von Jugendlichen, keinen ausgebildeten Sondereinheitskommandoangehörigen) können sich grundsätzlich lautlos im Wald bewegen. Doch nicht nur die, auch die Kameraleute. Die können sogar mit ihrer schweren Ausrüstung neben den Flüchtigen laufen und alles filmen. Und die Jäger finden sogar Gejagte, die sich auf einem Baum verstecken und dort schlafen, können so lautlos einen Baum ersteigen, dass keiner wach wird und dann fallen Jäger und Gejagte mal zusammen ein paar Meter hinunter, ohne dass einem der beiden viel passiert.

***
Ab hier spoilere ich mal kurz, also empfehle ich, diesen Absatz zu überspringen, bis die nächsten Sterne kommen, falls jemand das Buch lesen möchte.
Zum Schluss werden die Verantwortlichen und die Kameraleute festgenommen und Herr Malus wandert so gut wie lebenslänglich in den Knast. Ich frage mich: mit welcher Voraussetzung? Selbst wenn sie ihm nachweisen könnten, dass er für die Verschärfung des Spiels verantwortlich ist, was sollte das mehr bringen als ein paar Jahre auf Bewährung? Wenn überhaupt? Jeder Jurastudent lacht sich über so eine Anklage schlapp.
Und welche Handhabe hätte es sein sollen, wenn Malus gesehen haben, wie sich Maria und Raffael umarmen? Da steht Aussage gegen Aussage, egal, was da zurechtgeschnitten ist.
Spoiler Ende.

***

Schlimm waren auch die Protagonisten und ihre Entwicklung bzw. der Mangel daran. Zumindest Maria ist laut ihrer Aussage 17, aber sie benimmt sich durchgehend wie jemand, der soeben in die Pubertät gekommen ist. Ihre Verliebtheit in Raffael war zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar, umgekehrt ebenso nicht. Es gab einen Jäger, vor dem sich alle fürchteten, Sky. Hier wurde auch nie klar, warum eigentlich alle vor ihm Angst hatten. Maria und ihr Team sind von Anfang an total aufeinander eingeschworen, obwohl sie sich soeben erst kennengelernt haben; ebenso besteht eine Verbindung zu einer der Jägerinnen, die sie einen Tag vorher kennengelernt hat. Das ergibt alles keinen Sinn. Noch sinnloser war die Behauptung, dass alle aus Flüssen und Bächen tranken und sich keiner die Ruhr zuzog. Oder wenn einer krank wurde, er eine geheimnisvolle Medizin bekam, die ihn in 12 Stunden wieder fit machte. Möchte ich bitte auch haben.

Am enttäuschendsten aber ist, dass in diesem Buch offensichtlich keinerlei Lektorat stattgefunden hat, so was hätte ich von Ullstein nie erwartet. Es wimmelt von Wiederholungen, Schreibfehlern, Kommafehlern, ab und zu fehlen Wörter. Das alles um mindestens 200 Seiten gekürzt gehört hätte, bleibt eine Tatsache. Aussagen wie "Meine Augen begannen zu strahlen" wirkten nur noch lächerlich - woher weiß die Protagonistin das, hält sie sich permanent einen Spiegel vors Gesicht? Allgemein ist der Wortschatz eher begrenzt. Bei Freude beginnen alle zu strahlen, die Jäger, wenn sie angreifen, zucken ständig vor und die fast erwachsenen Jugendlichen müssen sich öfter mal knuddeln.

An dieser Stelle schließe ich meine Rezension, bevor sie das Ausmaß des Buches annimmt. Es bleibt: große Enttäuschung - nicht unbedingt über das Buch, aber über den Verlag, dass er sich so gar nicht darum gekümmert hat.

Kommentare

MadameMim kommentierte am 20. Mai 2016 um 11:25

Auf den ersten schnellen Blick dachte ich, es geht hier um "Die Tribute von Panem". Nun, zum Glück nicht, denn die will ich noch lesen (ich hoffe, ich zerstöre mir das Lesevergnügen nicht mit den ständigen "Battle Royal"-Vergleichen...).

Ich mag diese Rezension :) Darum streiche ich das Buch mal von meiner Liste. Danke, dass Du mir das erspart hast ^^

E-möbe kommentierte am 20. Mai 2016 um 12:48

Ich kann dich beruhigen, Die Tribute wirst du nicht bereuen, nicht mal, wenn du Battle Royal kennst. (Die meisten Leute kennen es eh nicht.)

Ja, das Buch hier war leider eine einzige Enttäuschung und es wurde nicht besser, dass so ziemlich das Bild von Panem geklaut wurde.

sphere kommentierte am 10. Juli 2016 um 22:37

Ja, auch von mir ein danke für die gute Rezi. Um dieses Buch werde ich einen großen Bogen, mind. bis zum Ende des Universums, machen :)

E-möbe kommentierte am 23. Juli 2016 um 21:45

Eine außergewöhnlich gute Idee. ;)