Rezension

Hier ist niemand Altruist...

Die Altruisten - Andrew Ridker

Die Altruisten
von Andrew Ridker

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das erste Familientreffen nach zwei Jahren Funkstille. Maggie und Ethan haben nach dem Krebstod der Mutter den Kontakt zum Vater abgebrochen. Doch jetzt steht Arthur Alter vor dem finanziellen Aus, und ihm wird schlagartig klar: Er ist auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen. Unter dem Vorwand, sich mit ihnen versöhnen zu wollen, lädt er sie ein. Der eigentliche Grund: die Geschwister zu überreden, ihm das Erbe zu überlassen, damit er das Haus, das voller Erinnerungen an das glückliche Familienleben steckt, vor der Bank retten kann. Jeder in seiner eigenen Welt voller Sorgen und Hoffnungen gefangen, treffen sich die drei an einem Wochenende. Schnell stürzt die erzwungen freundliche Fassade in sich zusammen …

Altruismus bedeutet in der Alltagssprache lt. Wikipedia „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“. Nun, demnach ist tatsächlich niemand in diesem Roman Altruist, auch wenn das Selbstbild des ein oder anderen Charakters ihm dies womöglich vorgaukeln mag... In Wirklichkeit kreist hier jeder um sich selbst, ist Teil seines egozentrischen Weltbildes und versucht sich möglichst klar von den anderen abzugrenzen. Aber der Reihe nach...

Francine ist vor zwei Jahren an Brustkrebs gestorben, und seither haben ihre nun erwachsenen Kinder keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater gehabt. Dieser lädt Maggie und Ethan jedoch nun unverhofft ein, und trotz einer gehörigen Portion Misstrauen nehmen die beiden die Einladung an. Das Wiedertreffen in ihrem Elternhaus gestaltet sich skurril, und beide Kinder sehen sich plötzlich mit Teilen ihrer Vergangenheit konfrontiert, die sie vielleicht lieber vergessen hätten.

Eine Familiengeschichte blättert der junge Autor (Jg. 1991) hier vor dem Leser auf, die durch ständige Perspektiv- und Zeitenwechsel die vier Charaktere zunehmend plastischer erscheinen lässt. Gerade durch die Episoden, die in der Vergangenheit spielen, werden gegenwärtige Verhaltensweisen und Charakterzüge verständlicher. Aber - und dies ist ein großes ABER: mit keinem einzigen Charakter wurde ich im Verlauf der Erzählung warm - ich fand sie alle gleichsam verstörend, samt und sonders gestört und voller Doppelmoral. 

Während der gesamten Lektüre rätselte ich zudem über die Aussage des Romans. Eine gesellschaftskritische Satire mit dem Schwerpunkt jüdischer Gesichtspunkte? Womöglich, aber vielleicht muss man Amerikaner sein und dazu noch dem Judentum angehören, um dies in seinem ganzen Umfang wirklich würdigen zu können. Tatsächlich stelle ich immer wieder fest, dass ich mit amerikanischer Literatur oft wenig anfangen kann, sicher auch, weil ich nicht alle Andeutungen verstehe oder von Bedeutung finde.

Bis auf einige recht ausschweifende Passagen mit einer enormen Auflistung von Fremdwörtern gefiel mir der Schreibstil sehr gut. Die Erzählung ließ sich leicht lesen, es stellte sich bei mir auch kein Widerwille gegen die Geschichte ein, aber eben auch keine Begeisterung. Verwirrung war bei mir wohl das vordergründige Gefühl.

Sowohl den Charakteren als auch der Entwicklung der Geschichte gegenüber blieb ich über weite Strecken relativ gleichgültig. Das Ende dann fand ich zudem zu 'weich gespült' - viel zu harmonisch und damit angesichts der vorherigen Geschehnisse auch unglaubwürdig. Irgendwie eine schräge Story.

Alles in allem ein bemühtes Debüt mit einigen interessanten Ansätzen, das mich jedoch leider nicht wirklich überzeugen konnte. 

 

© Parden