Rezension

Hier wird jeder Gedanke seziert

Schicksal -

Schicksal
von Zeruya Shalev

Bewertet mit 1 Sternen

Am Sterbebett ihres Vaters Meno verwechselt dieser seine Tochter Atara mit seiner ersten Frau Rachel. Daraufhin macht Atara sich auf die Suche nach Rachel, um zu ergründen, was damals zwischen ihrem Vater und Rachel vorgefallen ist…

Zu Beginn hat mir das Buch sehr gut gefallen. Obgleich ich sofort gemerkt habe, dass dies kein Buch ist, das ich schnell mal eben weglesen kann. Wir befinden uns im Buch „Schicksal“ von Zeruya Shalev zum einen in der Gedankenwelt von Atara, die mit sich, ihrem Leben und den Entscheidungen ihrer Vergangenheit hadert. Zum anderen erzählt Rachel in Gedanken aus ihrem Leben, von ihren Söhnen und ihrer Gegenwart. Das fand ich am Anfang sehr spannend, denn ich wollte die beiden Frauen näher kennenlernen. Und wie geht das besser als über die Gefühls- und Gedankenwelt der Figuren? Eine Annäherung an Atara ist mir sehr schwer gefallen, da sie sich selbst verloren hat und in Gedanken nie im Hier und Jetzt war. Sie war entweder bei den Entscheidungen ihrer Vergangenheit oder sie war schon bei dem, was die Zukunft ihr bringen könnte. Da konnte ich Rachel viel besser verstehen. Ihr Leben war spannend und von Brüchen durchzogen. Das hat sie erst einmal zu einer spannenden Figur gemacht. Zumal ich die alte Rachel nur schwer mit ihrem jungen Ich in Einklang bringen konnte.

Von Anfang an schwierig war für mich der politische Kontext des Buches. Der Feind waren zuerst die Briten, die Palästina verwaltet haben. Als diese abgezogen waren, waren die Araber die Feinde. Sie wurden durchweg als der Aggressor des Konflikts dargestellt. Vielleicht hätte mich das nicht verwundern sollen, da die Autorin in einem Kibbuz am See Genezareth aufgewachsen ist. Doch diese einseitige Sichtweise störte mich in dem Buch enorm, denn es war für mich zu sehr in hier die Guten und dort die Bösen unterteilt. So einfach ist Geschichtsschreibung jedoch nicht.

Im Laufe der weiteren Erzählung habe ich mich dann immer mehr von den beiden Hauptfiguren entfernt. Atara ist mir gehörig auf die Nerven gegangen, da sie für mich keine greifbare Persönlichkeit besaß. Sie zeichnete sich durch Sprunghaftigkeit in ihrem Denken, Handeln, Meinungen, Wünschen und Bedürfnissen aus. Stets wollte ich sie schütteln, damit sie endlich einmal zur Besinnung kommt. Doch durch die Ereignisse des Buches steigerte sich ihr irrationales Verhalten immer weiter. Die Figur hat schließlich Wut und Abscheu in mir erzeugt.

Die Kapitel von Rachel werden immer kürzer und die von Atara immer länger. Fand ich Rachel zu Beginn interessant, so konnte ich ihre Gedankengänge im Verlauf der Geschichte immer weniger nachvollziehen. Diese waren mir zu abstrakt und nicht greifbar. Das kann sehr gut daran gelegen haben, dass Rachel und ich keine gemeinsamen Berührungspunkte besitzen, unsere Welten einfach zu unterschiedlich sind. Ihre Kultur, Geschichte, Weltsicht sind mir einfach fremd. Rachels Kapitel fesselten mich daher nicht mehr.

Mit der Zeit hat mich das Buch einfach nur noch gelangweilt. Jede Szene mit Atara war bis ins Unendliche in die Länge gezogen. Da ich der Figur und ihren Gedanken nur noch Ablehnung entgegengebracht habe, ist es mir immer schwerer gefallen, weiterzulesen. Zudem kreiste sie in Gedanken nur um sich selbst und um das, was sie bedauert. Eine Entwicklung konnte ich nicht entdecken. Ich habe es als Gedankenspirale wahrgenommen, die immer wieder von vorne beginnt. Das führte dazu, dass ich anfing, ihre Kapitel querzulesen. Doch das bringt mir nichts, denn ich wollte ja gar nicht mehr wissen, welche Gedanken sie ausspuckt.

60 Seiten vor Ende des Buches habe ich dann die weiße Flagge gehisst und das Buch abgebrochen. Die Autorin hatte meiner Ansicht nach nichts zu erzählen. Sie hat uns die ganze Zeit an den ewigen inneren Monologen einer Figur teilhaben lassen, bei der nichts geschah. Das war für mich schlichtweg Langeweile pur. So wurde jede Seite, durch die ich mich durchgekämpft habe, zu einer Qual.

Habe ich mich zu Beginn an dem Schreibstil erfreut, war da irgendwann nichts mehr, woran ich mich in diesem Buch erfreuen konnte. Was nutzt ein toller Schreibstil, wenn der Inhalt nichtssagend ist oder Ablehnung in mir erzeugt? Gar nichts!